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Nach dem EGMR-Urteil: Wie weiter in der Klimapolitik?
Aus Echo der Zeit vom 13.04.2024. Bild: Keystone
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Klima-Urteil aus Strassburg Wo die Schweiz Spielraum hat für mehr Klimaschutz

Die Schweiz muss mehr für den Klimaschutz tun, urteilt der Menschenrechtsgerichtshof. Welchen Spielraum hat die Politik?

Das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen die Schweiz von dieser Woche hat harsche Reaktionen ausgelöst. Die Schweiz tue zu wenig, um die selbst gesteckten Klima-Ziele zu erreichen, so das Urteil. Allerdings hat das Schweizer Stimmvolk an der Urne 2021 ein griffiges CO₂-Gesetz abgelehnt. Darin wären unter anderem höhere Benzinpreise und eine Flugticket-Abgabe vorgesehen gewesen. Welchen Spielraum hat die Schweizer Politik also, das Urteil umzusetzen?

Totale auf den EGMR in Strassburg
Legende: Wie geht es weiter mit der Schweizer Klimapolitik nach dem EGMR-Urteil? Keystone/Archiv/CHRISTIAN BEUTLER

Neues CO₂-Gesetz: Das Parlament hat vor Kurzem das CO₂-Gesetz erneut revidiert. Es sieht Anreize für mehr Klimaschutz vor, Kritiker bezeichnen das Gesetz aber als ambitionslos. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält fest, dass die bislang von der Schweiz getroffenen Massnahmen nicht ausreichen, um die eigenen Ziele zu erfüllen. Das anerkennen auch bürgerliche Politiker im Parlament. Man habe sich auf das konzentriert, was an der Urne mehrheitsfähig sei, so die Begründung.

Höherer Benzinpreise und Flugticketabgaben: Grundsätzlich sind weitgehende Eingriffe für mehr Klimaschutz, etwa eine Neuauflage von Lenkungsabgaben, denkbar. Das könnten zum Beispiel zusätzliche Abgaben auf Treibstoffe oder Flugtickets sein. Die Einnahmen würden an die Bevölkerung zurück verteilt, sodass klimaschonendes Verhalten belohnt wird. Lenkungsabgaben gelten als volkswirtschaftlich effizient. Kritiker, etwa aus der SVP, erklären, das Stimmvolk habe das 2021 schon einmal abgelehnt. Klimaschutz-Aktivistinnen hoffen, dass die Massnahmen inzwischen mehrheitsfähig sind. Weil auch einige bürgerliche Lenkungsabgaben zumindest nochmal prüfen wollen, dürfte die Debatte früher oder später nochmal kommen.

Die Ausgangslage

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Wozu sich die Schweiz verpflichtet hat: Die Schweiz hat auf internationaler Ebene das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Das Parlament hat den Beitritt genehmigt. Im Abkommen verpflichtet sich die Schweiz dazu, ihren Beitrag zur Begrenzung der Klimaerwärmung zu leisten. Ein Anstieg von maximal 1.5 Grad ist das Ziel. Ausserdem hat das Schweizer Stimmvolk 2023 ein Klimaschutzgesetz gutgeheissen. Dieses sieht vor, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral wird. Auf dem Weg dorthin gelten Zwischenziele.

Was der Menschenrechtsgerichtshof entschieden hat: Der Gerichtshof hat in einem Leiturteil festgehalten, dass die Schweiz nicht genügend unternimmt, um die Bevölkerung (im konkreten Fall: die Klimaseniorinnen) vor den negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung zu schützen. Die beschlossenen Massnahmen reichten nicht, um die gesteckten Ziele zu erreichen und den internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden. Wie die Schweiz die Ziele erreichen soll, dazu äussert sich der Gerichtshof nicht.

Kohlenstoff-Budget und Klima­verträglichkeits­prüfung: Vorgeprescht sind nach dem Urteil aus Strassburg die Grünen. Sie verlangen, dass die Schweiz künftig ein Kohlenstoffbudget führt, aus dem hervorgeht, wie viel Treibhausgase sie zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens noch ausstossen darf. Zudem sollen alle Gesetze und Projekte des Bundes auf ihre Klimaverträglichkeit hin überprüft werden. Diese Vorschläge dürften es im bürgerlich geprägten Parlament schwer haben, auch weil sich das Parlament in künftigen Entscheiden selber beschneiden würde.

Regeln für den Finanzplatz: Der Finanzplatz ist potenziell einer der grössten Hebel der Schweiz im Kampf gegen den Klimawandel. Eine Studie des Unternehmensberaters McKinsey zufolge könnte die Schweiz über die hier ansässigen Unternehmen und die Importe bis zum 10-fachen der Inland-Emissionen regulieren. Das Parlament setzt bislang auf Selbstregulierung der Branche. Der Bundesrat hätte aber auf Grundlage des vom Volk genehmigten Klimaschutzgesetzes die Möglichkeit, Vorgaben auf Verordnungsstufe zu machen. Aufgrund der Mehrheiten im Bundesrat scheint das aktuell allerdings unwahrscheinlich.

Vorgaben für die Baubranche: Das Parlament hat ein Gesetz für die sogenannte Kreislaufwirtschaft verabschiedet. Auf dieser Grundlage könnte der Bundesrat etwa der Baubranche Vorgaben betreffend Klimaschutz machen, ebenfalls ohne weitere Abstimmungen im Parlament. Die Branche zeichnet aktuell verantwortlich für gegen einen Fünftel des Treibhausgas-Ausstosses der Schweiz. Auch in anderen Bereichen hat der Bundesrat über Verordnungsanpassungen einen gewissen Spielraum.

Fazit

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Das Urteil erinnert die Schweiz daran, dass sie ihre international eingegangenen Verpflichtungen mit dem aktuellen Klimaschutz-Kurs nicht erfüllen wird. Auch ohne neue Abstimmungen in Bundeshaus oder an der Urne hat der Bundesrat einen gewissen Spielraum für mehr Klimaschutz. Ein neuer Anlauf für Lenkungsabgaben oder Verbote wird aber Gesetzesänderungen nötig machen – und die wird das Stimmvolk nur mittragen, wenn es den Nutzen der Vorlage erkennt. Die Schweiz ist klimapolitisch gefordert.

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