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Bühne «Macht es für euch!» - eine vergnügliche Überforderung

René Polleschs filmisches Theaterstück «Macht es für euch!» ist im Zürcher Schiffbau uraufgeführt worden. Das Stück thematisiert passend zur Weihnachtszeit den durchökonomisierten Alltag - bis zur Frage: Warum gibts kein Geld für Sex in der Ehe?

René Polleschs Theatertexte sind stets eine Mischung aus aktuellem Anlass und theoretischem Diskurs. Bei Pollesch wird viel und schnell geredet auf der Bühne, seine Texte sind bis zum Aufführungsmoment nicht in Stein gemeisselt.

Das führte bei der Premiere teilweise zu Aussetzern, vor allem aber auch zu so etwas wie einer gedämpften Grundtemperatur: zu einem Spiel mit angezogenen Zügeln. Es lässt sich leicht vorstellen, dass der Abend an Elan gewinnt, wenn er sich erst einmal eingespielt hat.

Warum ist nicht alles käuflich?

René Polleschs Theaterabende sind eine Überforderung: für die Schauspieler wie fürs Publikum; es ist die vergnüglichste Überforderung. Es bereitet Spass, seiner blitzenden Ratio in ihre argumentativen Gedankengänge und verwinkelten Gedankengebäude zu folgen, die sich in kostbaren Momenten in eine diskursive Hysterie steigert, die einfach auch sehr komisch ist.

Thema ist die Durchökonomisierung der Alltagswelt. Dies treibt er lustvoll auf die Spitze. Grad redet man ja viel darüber, was alles bereits käuflich ist. Pollesch fragt zurück: Was ist es nicht? Warum gibt es für Unfallopfer kein Geld? Warum nicht für Sex in der Ehe?

Das Leben ist ein Selbstbedienungsladen

Die Zürcher Bühne ist eine grosse Show-Treppe, für den glamourösen Auftritt, mit Opernlogen oben und einem Supermarkt, zugleich «Schlafzimmer», unten: ein Setting, das bereits viel erzählt über das Leben als Selbstbedienungsladen, auch über Spiel und Täuschung.

In diesem Setting stellt Pollesch seine Fragen, die auch das Theater selber angehen: Kann aus Spass Ernst werden, kann aus Täuschung etwas Echtes entstehen? Muss man die Wirkung immer beim Zuschauer suchen, sollten die Schauspieler auf der Bühne einfach für sich agieren?

Anstiftung zum Weiterdenken

«Macht es für euch» hat so auch etwas Befreiendes: Theater nicht mit Brecht als Lehrtheater verstanden oder mit Schiller als moralische Anstalt, sondern einfach als Theater. Theaterspielen lohnt auch, wenn sich die Gesellschaft nicht verändern will, hat René Pollesch vor kurzem in der Sendung «Reflexe» (siehe «Sendungen zu diesem Artikel» betont.

Wenn Polleschs Theaterabend «Macht es für euch!» eins ist, dann eine ungemein anregende Anstiftung zum Weiterdenken: mit freundlicher Schlauheit, und zugleich bewegender Zärtlichkeit im Sarkasmus.

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