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Filmmusik im Wettbewerb
Aus Tagesschau vom 26.09.2015.
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Filmfestival Zürich «Filmmusik steuert die Emotionen des Publikums ganz genau»

«Fluch der Karibik» oder «Indiana Jones» – was wären diese Filme ohne Musik. Der Schweizer Martin Tillman wirkte als Cellist bei diesen und vielen anderen Aufnahmen mit. Am ZFF ist er Jurypräsident des Filmmusik-Wettbewerbs. Ein Gespräch über über Hollywood, «Flashdance» und Plastik-Sound.

Martin Tillman, haben Sie eine Liste mit Kriterien, um die Filmmusik der Finalisten zu beurteilen?

Martin Tillman: Es gibt keine Liste. Ich höre darauf, ob die Musik das unterstützt, was sie sollte – den Film. Und vielfach ist das eine Frage des Gefühls.

Aber ich schaue auch darauf, was wir «im Normalfall» entscheiden würden. Und dazu gehört sicher das Technische und die Herangehensweise des Komponisten. Ist es kompliziert? Ist es orchestral oder ist es elektronisch? Es gibt also schon Kriterien, aber die stehen nicht auf einer Liste und die verändern sich auch mit jedem Projekt.

Filmmusik-Wettbewerb am ZZF

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Im Rahmen des ZFF fand am Freitag der vierte Internationale Filmmusik-Wettbewerb statt. Gewonnen hat der israelische Jungkomponist Faris Badarni. Er erhielt das mit 10‘000 Franken dotierte Goldene Auge für die «Best International Film Music 2015».

Das «Musikmagazin» von Radio SRF 2 Kultur stellt den Gewinner vor.

Was macht denn eine gute Filmmusik genau aus?

Ich sage immer: Die beste Filmmusik ist die, bei der man sich nicht daran erinnern kann, ob überhaupt Musik da war. Es geht ja im Film um eine Geschichte. Ich glaube, die beste Musik unterstützt vor allem die emotionale Ebene, sie vertieft die Geschichte und sie hilft, das Tempo im Film zu halten.

Dann gibt es Filme wie «Flashdance» oder «Frozen»: Das sind Geschichten, die eher wie ein Musikvideo funktionieren, da stehen natürlich die Songs im Vordergrund. Aber ich würde sagen bei 99 Prozent aller Filme ist es die Aufgabe des Komponisten, dem Regisseur zu helfen, die Geschichte zu erzählen.

Sie haben vorher gesagt «Normalfall». Es gibt also bei Filmmusik klare Regeln und Konzepte?

Ich denke, besonders Blockbuster aus Hollywood richten sich sehr stark nach Konzepten und Schemen: Bei Action-Szenen muss es so und so laut sein. Es braucht den Sound von Blechbläsern und ein gewisses Tempo, damit es immer funktioniert.

Da liegt auch der grosse Unterschied zwischen Filmmusik aus Amerika und dem Rest der Welt. Die Filmmusik in Amerika ist viel eher ein Gefühlsgenerator: Es wird so lange an der Filmmusik gefeilt, bis man die Emotionen des Publikums ganz genau steuern kann. Europäische Filmmusik ist dagegen viel eigenständiger und ist darauf bedacht, auch mal Kontraste zum Bild zu schaffen.

Zur Person

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Martin Tillman (*1964) lebt seit 1988 in den USA. Dort arbeitet er als Cellist und Komponist an den ganz grossen Hollywood-Blockbustern mit. Zuletzt schrieb er die Filmmusik für den Schweizer Film «Schellen Ursli» (Kinostart: 15. Oktober 2015). Er ist Präsident der Jury für den Filmmusik-Wettbewerb am Zurich Film Festival 2015.

Man stellt sich bei Filmmusik immer gleich das Orchester und den Dirigenten vor der Leinwand vor und wie sie zum Film spielen. Entspricht das der Realität?

Nicht mehr so oft. Das Problem ist einfach, dass man früher mehr Budget hatte. Ich weiss noch, als wir die Musik für den Film «Indiana Jones» aufgenommen haben. Da hatten wir mit dem gesamten Orchester zwölf Tage Zeit im Studio, und wir hatten ein Budget von ungefähr 400'000 Dollar. Heute hat man – wenn es gut läuft – 20'000. Das heisst, man muss vieles künstlich und mit Computersoftware produzieren. Und vielleicht hat man dann noch genug Geld, um ein Orchester in Prag oder Budapest zu engagieren. Dieses spielt dann live darüber – damit es nicht ganz nach Plastik klingt.

Heute gibt es nur noch eine ganz kleine Gruppe von Komponisten, die sich das mit dem Orchester vor der Leinwand leisten kann.

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