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Porträt einer Frau mit schwarzen Haaren.
Legende: «Ich stand an der Tür und er hielt mir die Pistole an die Schläfe», erinnert sich Diana Müll. Getty Images
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Eine Geisel erzählt «Am schlimmsten war die Todesangst»

1977 wurde Diana Müll von palästinensischen Terroristen als Geisel genommen – im «Landshut»-Flugzeug. Ziel der Entführer war es, RAF-Inhaftierte freizupressen. Der angsterfüllte Tag prägt ihr Leben bis heute.

SRF: Die Lufthansa-Maschine «Landshut» stand jahrelang fluguntauglich auf einem Flugplatz in Südamerika. Nun gibt es Pläne, sie nach Deutschland zu holen, um sie als ein Stück Zeitgeschichte auszustellen. Was halten Sie von dieser Idee?

Diana Müll: Das hätte schon längst geschehen sollen. Was damals passierte, darf nicht vergessen werden.

Sie waren damals 19 Jahre alt. Was trieb Sie nach Mallorca?

Elf verrückte Mädchen und ich hatten bei einer Miss-Wahl den ersten Preis belegt. Gewonnen haben wir eine Woche Mallorca. Am Ende dieses Trips wollte keiner heim.

So kamen wir zu spät am Flughafen an. Die Maschine wäre eigentlich schon weg gewesen. Doch schliesslich haben die uns noch reingestopft. Und dann das.

Die RAF und das Terrorjahr 1977

Wie kamen die Terroristen bewaffnet ins Flugzeug?

Damals gab es noch keine grossen Kontrollen. Im Flugzeug sass ich fast neben den Terroristen. Nach einer Stunde sind sie aufgesprungen. Machmud, der Anführer, hat dann schnell klar gemacht, worum es geht.

Dann drohten sie an, Geiseln zu erschiessen.
Flugzeug von Panzer bewacht.
Legende: Auch Diana Müll sass drin: Die entführte Boeing 737 «Landshut» am 2. Tag nach der Landung in Dubai, 15. Oktober 1977. Keystone

Wie verhielten sich die Terroristen?

Machmud hat öfters zugeschlagen. Wenn ihn jemand angeguckt hat, hat er den Knauf der Pistole genommen und einfach mal in die Reihe reingehauen. Am schlimmsten war die Todesangst. Die hat mich wirklich runtergezogen. Am Ende drohten sie an, Geiseln zu erschiessen.

Was geschah dann?

Machmud wollte weiterfliegen. Er sagte dem Tower: Entweder es wird aufgetankt oder er erschiesst mich. Doch sie rührten sich nicht. Ich stand an der Tür und er hielt mir die Pistole an die Schläfe. Er zählte von zehn abwärts. Da habe ich mir überlegt, was will ich als Letztes sehen?

Erst dachte ich, er soll sehen wie er ein 19-jähriges, unschuldiges Mädchen erschiesst. Doch dann dachte ich: Nein, seine Fresse möchte ich nicht sehen. Für mich hatte der eine richtige Fresse: brutal, feurig, behaart, ungepflegt, einfach widerlich.

Ab dann weiss ich nichts mehr. Irgendwann bin ich in meinen Sitz aufgewacht.

Ich habe die Terroristin im Gerichtssaal wieder gesehen.

Der Tower gab in letzter Sekunde nach. Die Maschine wurde aufgetankt. In der Nacht stürmte eine Einheit des Bundesgrenzschutzes, die GSG9, das Flugzeug und befreite alle Geiseln. Von den vier Entführern überlebte die Terroristin Andrawes Souhaila. Sie trafen sie Jahre später, als ihr in Deutschland der Prozess gemacht wurde.

Meine Mutter hat mich begleitet. In einer Verhandlungspause kam sie auf mich zu. Da habe ich zu meiner Mutter gesagt: «Wenn sie jetzt kommt, trete ich ihr die Krücken weg.» «Das kannst du nicht», hat meine Mutter gesagt. Ich sagte: «Natürlich kann ich das. Ich kann alles.»

Zum Glück ist sie dann irgendwo abgebogen. Ich habe sie erst im Gerichtssaal wieder gesehen.

Das Gespräch führte Hans Rubinich.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 29.03.2017, 9 Uhr

Entführung der «Landshut»

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Diana Müll war Passagierin der «Landshut»-Maschine, die am 13. Oktober 1977 von Mallorca nach Frankfurt hätte fliegen sollen – dann aber durch palästinensische Terroristen entführt wurde. Das Terror-Kommando wollte damit inhaftierte Terroristen der RAF in Deutschland freipressen.

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