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Gesellschaft & Religion Der Historiker Hans Mommsen ist gestorben

Hans Mommsen, einer der bedeutendsten deutschen Historiker, starb am Tag seines 85. Geburtstages. Hans Mommsen hat als Wissenschaftler die Forschung über den Nationalsozialismus geprägt und war einer der streitbarsten Historiker der Nachkriegszeit.

Der 1930 in Marburg geborene Mommsen lehrte bis zu seiner Emeritierung 1996 als Professor für Neuere Geschichte an der Ruhruniversität in Bochum. Mommsen hatte sich vor allem durch seine Forschung über den Nationalsozialismus einen Namen gemacht. Weitere Forschungsschwerpunkte waren die Arbeiterbewegung und die Weimarer Republik.

Im Historikerstreit Mitte der 1980er-Jahre zählte Mommsen zu den entschiedensten Gegnern von Ernst Nolte, der die These eines Zusammenhangs zwischen den bolschewistischen und den NS-Verbrechen verfocht.

Thematischer und methodischer Aufbruch

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Winfried Sträter über Hans Mommsen
aus Kultur kompakt vom 06.11.2015.
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«Hans Mommsen war einer der führenden Köpfe jener Historikergeneration, die den deutsch-national gefärbten Nachkriegskonsens in der Zunft aufbrachen und neue Wege gingen», sagt der deutsche Journalist Winfried Sträter. «Er suchte Herrschaftsstrukturen aufzudecken und Mechanismen eines Systems zu beschreiben, in dem nicht nur einer befahl und alle gehorchten, sondern viele Verantwortung trugen.»

Damit habe Mommsen und seine Historikergeneration, deren akademische Lehrer noch ins NS-System verstrickt waren, einen thematischen und methodischen Aufbruch erreicht, ebenso den Abschied von den alten und bequemen Deutungsmustern in der NS-Forschung, so Winfried Sträter.

Eine ganze Historiker-Dynastie

Die Laufbahn als Wissenschaftler schien für Hans Mommsen vorgezeichnet, entstammte er doch einer bedeutenden Historikerdynastie. So ist er Urenkel des legendären Liberalen und Althistorikers Theodor Mommsen, der 1902 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde.

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Hans Mommsen über Daniel J. Goldhagens Buch «Hitlers willige Vollstrecker» (Reflexe, 13.9.1996)
29:12 min
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Sein Vater Wilhelm Mommsen lehrte als Ordinarius Geschichte in Marburg, verteidigte zunächst die Weimarer Republik, die erste deutsche Demokratie, verstrickte sich dann aber ins NS-Unrechtssystem. Dass Wilhelm Mommsen nach dem verlorenen Krieg nicht auf seinen Lehrstuhl zurückkehren konnte, prägte die Kindheit Mommsens und seines Zwillingsbruders Wolfgang J. Mommsen, ebenfalls Geschichtsprofessor, der 2004 starb.

In Bochum bis zur Emeritierung

Seine wissenschaftliche Laufbahn begann Hans Mommsen am Historischen Seminar der Universität Tübingen, es schlossen sich Stationen in München und Heidelberg an. Schliesslich kam er an die Bochumer Ruhruniversität, wo er von 1968 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1996 als Professor für Neuere Geschichte lehrte. Ausserdem war er Gastprofessor und Fellow an bedeutenden Universitäten, etwa in Harvard, Princeton und Oxford.

Sein bislang letztes Buch erschien 2014. Mit dem Titel «Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa» zog er die Bilanz seiner Jahrzehnte langen Holocaust-Forschung.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 6.11.2015, 6:50 Uhr

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