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Gesellschaft & Religion Die Britannic ging unter wie ihre Schwester Titanic

Die Britannic sollte alles übertreffen, was die Seefahrerwelt bis dahin gesehen hatte. Selbst ihre Schwester, die Titanic. Das gelang auch und doch sollte alles anders kommen als geplant. Grund war der Erste Weltkrieg, der sollte Wohl und Wehe und den Untergang der Britannic bestimmen.

1911. Baubeginn des englischen Transatlantik-Liners Britannic. Das ultimative Grand Hotel der Meere soll sie werden und die Titanic an Luxus übertreffen: 270 Meter lang, Platz für mehr als 3700 Menschen. Es ist die jüngste Schwester der Titanic, neben der «Olympic» der dritte Vierschoner der gleichen Baureihe. Nach der Titanic-Tragödie von 1912 wird die Britannic noch während der Bauphase überarbeitet.

S/W Aufnahme der Britannic vor dem Stapellauf
Legende: Die Britannic war noch nicht fertig, da wurde sie schon umgebaut. Wikimedia

Doch plötzlich: Abbruch des Innenausbaus. Erste-Klasse-Kabinen werden zu Operationssälen, über 3000 Krankenbetten kommen an Bord. Die Britannic wird 1914 nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum Lazarettschiff.

Am 21. November 1916 wird sie in der Ägäis selber zum Kriegsopfer – versenkt von einer Seemine. Fast alle an Bord überleben.

Die Britannic ist ein zweischneidiges Schwert

Seit hundert Jahren ist die Britannic das weltgrösste Passagierschiff-Wrack, grösser als die Titanic. Und es ist in Privatbesitz. Der britische Autor und Dokumentarfilmer Simon Mills kauft es dem britischen Staat vor Jahrzehnten für einen Spottpreis ab. Ein exklusives Schnäppchen. Mills schreibt Bücher über die Britannic und keiner kennt sie so gut wie er. «Sie ist für mich ein zweischneidiges Schwert», erzählt er in seinem Haus in der Nähe von Schloss Windsor. «Einerseits ist sie ein Quell der Freude – andererseits verursacht sie Kopfschmerzen.»

Ursprünglich sei das Schiff nur ein Hobby gewesen, jetzt sei es viel mehr. «Mit den Rechten des Besitzers trage ich auch eine Verantwortung dafür, dass sie auch in Zukunft sicher geschützt bleibt.» Denn die Britannic ist ein begehrtes Wracktauchziel. Allerdings liegt ihr Grab auf rund 120 Metern Tiefe. Gefahrlos ist sie nur per U-Boot erreichbar. Simon Mills besucht sie 1995 erstmals. Er erinnert sich an die Tauchfahrt mit einem Mini-U-Boot: «Ich guckte durch ein sehr kleines Bullauge. Natürlich war es schön, das Schiff so nah zu erleben. Aber dieses grünliche Licht! Das liess die Britannic ziemlich gruselig erscheinen.»

Die Britannic-Orgel in Seewen

Box aufklappen Box zuklappen

Quasi die letzte Überlebende der «Britannic» besitzt 2000 Pfeifen, 37 Register, ist sechs Meter hoch und acht Meter breit: Die Welte-Philharmonie-Orgel aus Freiburg i. Br. hätte Erstklass-Passagiere der «Britannic» bezaubern sollen. Seit 1969 steht sie im Museum für Musikautomaten in Seewen, lange unerkannt, wie Kulturplatz berichtete.

Ein Koloss – seit 100 Jahren untergegangen

Nachher habe – im bequemen Sessel sitzend – das auf der Fahrt gedrehte Video mehr Spass gemacht. Die Britannic ist auch nach hundert Jahren gut erhalten. Das bestätigt der Schweizer Taucher Jean-Claude Chappuis. Nach einer Vorbereitungszeit, die sich mit allen Bewilligungen über zwei Jahre hinzog, macht er sich 2012 gemeinsam mit einem internationalen Team auf den Weg zur Britannic. Freitauchend, mit speziellen Atemluftmischungen.

Zuerst wird die sogenannte Shotline zum Wrack hinuntergelassen, ein etwa 150 Meter langes Seil. An ihm zieht man sich bei zu starker Strömung hinunter und nachher wieder hoch. Noch heute erzählt Chappuis voller Emotionen darüber: «Als ich auf 60 Metern Tiefe war und ich das Wrack auf der Seite vor mir liegen sah ... Also das war ... wie soll ich sagen? Ein Glücksgefühl ... unbeschreiblich.» Der riesige Antriebs-Propeller, die Überreste der grossen Kamine, das mit Korallen und Schwämmen bewachsene Metall ... Nach etwa 25 Minuten Wrackbesuch beginnt wegen der grossen Tiefe das stundenlange Auftauchprozedere.

Unterwasseraufnahme der Britannic in ihrem heutigen Zustand.
Legende: Die Britannic in ihrem heutigen Zustand. Wikimedia / Marshall

Man kommt aus dem Staunen nicht heraus

Mit einem U-Boot läuft es schneller und bequemer. So taucht der russische Mini-U-Boot-Pilot Dimitri Thomashov mit seiner «Triton» seit Jahren regelmässig zum berühmten Wrack. In etwa fünf Minuten ist er jeweils unten. «Es ist dort unten sehr ruhig, eine wunderbare friedliche Atmosphäre», sagt das Mitglied der Russischen Geografischen Gesellschaft. «Das Schiff ist unbeschreiblich gross, man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Ich verspüre jedes Mal einen grossen Respekt.»

Seit 100 Jahren liegt sie da. Seit dem 21. November 1916. Da steuert die Britannic den griechischen Hafen Mudros an. Auf dem Schiff ist gerade Schichtwechsel. Plötzlich ist eine gewaltige Detonation zu hören. Die Britannic ist entweder auf eine Seemine gelaufen oder von einem Torpedo getroffen. Das Schiff gerät sofort in Schieflage und sinkt in nur 58 Minuten. Zwei Rettungsboote gehen unter, die restlichen Passagiere werden gerettet.

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