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Lesbische Fussballspielerinnen «Entweder galt ich als Sexobjekt oder als Kampflesbe»

Homosexualität im Fussball ist ein Tabu. Auch bei den Frauen – mit wenigen Ausnahmen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Homosexualität ist im Frauenfussball ein Tabu, obwohl viele Spielerinnen offen lesbisch sind.
  • Sie sei häufig mit Klischees konfrontiert, sagt die homosexuelle Schiedsrichterin Nadja Pechmann.
  • Ein Problem sieht Pechmann darin, dass Frauen in Fussballverbänden generell untervertreten sind.

Nadja Pechmann spielte schon als Mädchen Fussball. Als Torhüterin konnte sie über den Rasen hechten – sie musste nicht dem traditionellen Rollenbild der Frau entsprechen. Ihrer Mutter gefiel das gar nicht.

Porträt von Nadja Pechmann.
Legende: Der Trainer verbot Nadja Pechmann mit ihrer Freundin Händchen zu halten. Jemand könnte sie dabei sehen. Ronny Blaschke

Händchenhalten verboten

Als Jugendliche merkte Pechmann, dass sie auf Frauen steht. Eines Abends bei ihrem Verein, dem FC Spandau 06, rief der Trainer sie und ihre Freundin in die Kabine. Er verbot ihnen das Händchenhalten. Schliesslich könnten sie gesehen werden.

Bald darauf wurde Nadja Pechmann Schiedsrichterin. Bei Partien zwischen Männern musste sie viele Sprüche erdulden.

«Entweder wurde ich als Sexobjekt dargestellt oder als Kampflesbe», sagt die 30-Jährige. Einmal wurde sie von einem Kreisligaspieler geschubst. Sie legte eine Pause als Schiedsrichterin ein.

Darüber spricht man nicht

Sexismus und Homophobie gehören an der Fussball-Basis zum Alltag. Das liege auch an der fehlenden Thematisierung im Profigeschäft, findet Manuela Kay.

Kay ist die Chefredakteurin von L-Mag, einem der wichtigsten Lesbenmagazine Europas. «Manchmal sind bis zu 50 Prozent der Spielerinnen in Teams lesbisch. Trotzdem wird gar nicht oder nur sehr anrüchig darüber diskutiert. Das finde ich zynisch.»

Frauen-Euro 2017

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Am Sonntag endet die Europameisterschaft im Frauenfussball – die Niederlande spielt gegen Dänemark.

Offenheit braucht und gibt Mut

Elf Spielerinnen der EM in den Niederlanden sind offen lesbisch – fünf kommen aus Schweden. Die Bekannteste, Nilla Fischer, läuft bei ihrem Klub, dem VfL Wolfsburg, mit Regenbogen-Kapitänsbinde auf.

Spielerinnen wie Casey Stoney in England oder Pernille Harder in Dänemark sprechen in Interviews über ihre Homosexualität und die Bedeutung der Offenheit. Das gibt ihnen selbst Sicherheit – und macht vielen anderen Mut, ebenfalls offen zu sein.

Das Coming-out als wichtiger Schritt

In der Schweiz äusserte sich Ramona Bachmann während der WM 2015 erstmals über ihre Homosexualität. Zumindest in den Medien – verschwiegen hatte sie es davor aber nicht.

Die Stürmerin des FC Chelsea bezeichnet ihr öffentliches Coming-out als wichtigen Schritt. Für sie persönlich – und für andere, denen sie Mut machen möchte.

Porträt von Manuela Kay.
Legende: Manuela Kay sieht in der Fussballerinnen-Szene zu viel vorauseilenden Gehorsam. Über Liebe werde geschwiegen. Ronny Blaschke

Gehorsam eilt voraus

Die Journalistin Manuela Kay hat in Szenebars auch andere lesbische Spitzenspielerinnen getroffen, doch öffentlich äussern wollten diese sich selten. «Privatsache», hiess es oft.

Dieses Argument scheint nur für Homosexuelle zu gelten. Bei prominenten Hetero-Beziehungen werden Details gern ausgeleuchtet.

«Die Spielerinnen sagen, es gebe keinen Druck von Vereinen und von Verbänden», berichtet Kay. «Es ist eher vorauseilender Gehorsam.»

Es geht auch um Geld

Laut Studien sind 50 Prozent der Lesben und Schwulen an ihren Arbeitsplätzen nicht offen homosexuell. Im Fussball ist die Interessenlage komplexer, auch wegen der Sponsoren.

Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger war nach seinem Coming-out 2014 auch auf die Resonanz der Wirtschaft gespannt. Die Anfragen blieben aus.

L-Mag möchte Unternehmen klarmachen, dass sie nur gewinnen können, wenn sie sich als weltoffen darstellen. «Viele Unternehmen halten es noch immer für schädlich, im Zusammenhang mit Homosexualität genannt zu werden», sagt Kay.

Mit der Freundin an die Weihnachtsfeier

Man müsse das Thema nicht in den Mittelpunkt stellen, findet die pausierende Schiedsrichterin Pechmann, aber verschweigen solle man es auch nicht. So lange Spielerinnen nicht selbstverständlich mit ihrer Freundin zur Weihnachtsfeier kommen, müsse man aber auf die Probleme hinweisen.

Die Probleme lägen auch in den Führungsstrukturen des Fussballs. Im Zentralvorstand des Schweizerischen Fussballverbandes findet sich keine Frau, im Präsidium des Deutschen Fussball-Bunds eine.

«In gemischten Strukturen würde das Thema weniger verkrampft diskutiert werden», glaubt Pechmann. Bald möchte sie wieder als Schiedsrichterin aktiv werden. Sie möchte sich den Fussball nicht wegnehmen lassen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 4.8.17, 17.15 Uhr.

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