Viele Menschen wünschen sich, wenn sie sich nach einem Unfall oder wegen einer psychischen Krankheit in der Klinik aufhalten, eine seelsorgerische Begleitung – gerade auch die Jungen. Das zeigt eine neue repräsentative Studie der Universität Zürich.
Die Forschungsgruppe hat herausgefunden, dass rund die Hälfte der Bevölkerung im Kanton Zürich sich eine spirituelle Unterstützung in Krankheitssituationen wünscht.
Gen Z offen für Spiritualität
«Das hat mich gefreut – und auch ein wenig erstaunt», sagt Theologieprofessor an der UZH Simon Peng-Keller zum Ergebnis. Sein Lehrstuhl Spiritual Care hat die Studie initiiert und durchgeführt.
«Überrascht hat mich, dass besonders junge Menschen zwischen 15 und 30 den Bedarf haben», ergänzt er. Dieser Befund zeige sich auch in anderen europäischen Ländern. «Gen Z hat offenbar eine grössere Offenheit für religiöse und spirituelle Themen.»
Peng-Keller erklärt sich dies mit der krisenhaften Weltlage: «In der Regel erzeugen Krisen eine Offenheit für Transzendenz», also für die Suche nach dem Lebenssinn oder nach etwas, das grösser ist als wir und die materielle Welt.
Vier Bedürfnistypen
Für die Studie wurde die Zürcher Bevölkerung nach ihren Wünschen befragt. Vier Bedürfnisgruppen wurden identifiziert:
- Die erste, mit knapp einem Viertel der Bevölkerung, will nichts mit Religion und auch nichts mit Spitalseelsorge zu tun haben (23.6 Prozent).
- Etwa gleich gross ist die Gruppe, die religiös und praktizierend ist und sich als spirituell versteht (24.4 Prozent). Sie wünscht sich von der Spitalseelsorge sowohl Gesprächsangebote als auch rituelle Unterstützung.
- Die kleinste Gruppe ist jene, die sich zwar selbst als religiös sieht, aber nicht speziell praktiziert (19.8 Prozent). Auch sie wünscht sich Gebete oder Rituale.
- Die grösste Gruppe, mit knapp einem Drittel, ist gegenüber Religion und den kirchlichen Institutionen skeptisch, aber spirituell offen (32.2 Prozent). Sie wünscht sich vor allem Gesprächsangebote.
Kirche nein, Spiritualität ja
«Diese Offenheit zeigt sich beispielsweise darin, dass sie an Schutzengel glauben oder Achtsamkeit praktizieren», erklärt Simon Peng-Keller. Entsprechend hätten sie das Bedürfnis, dass die Spitalseelsorge das respektiere beziehungsweise unterstütze.
Gerade die letzte Gruppe wünscht sich vor allem psychosoziale Unterstützung der Spitalseelsorge: aufmerksames Zuhören (72.4 Prozent), dass man bei Entscheidungssituationen beraten und begleitet wird (66.1 Prozent) oder Unterstützung bekommt, um die Erfahrungen von Unfall oder Diagnose verarbeiten zu können (59 Prozent).
Die neue Studie zeigt auf, dass die Hauptmotivation für Spital- und Klinikseelsorge pragmatisch ist: Sie könne helfen, die Krisensituation besser zu bewältigen. Darum wünscht sich die Hälfte der Zürcher Bevölkerung, dass die Seelsorge Teil einer ganzheitlichen Gesundheitsversorgung ist und ein Angebot, das sich an alle Menschen richtet.
Die Spitalseelsorge ist also nach wie vor gefragt und muss weiterhin offen sein. Wichtig wird, wie sie sich zukünftig organisiert, damit möglichst viele davon profitieren können – gerade auch jene, die mit Kirche nichts (mehr) anfangen können, aber spirituell offen sind. Mit der neuen Studie haben Fachpersonen eine Diskussionsgrundlage erhalten, um darüber nachzudenken, wie sie diese Entwicklung vorantreiben wollen.