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Veles - Hauptstadt der Fakenews
Aus Einstein vom 25.10.2018.
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«Welthauptstadt der Lügen» Wo der Papst Trump wählt und Hillary Clinton pädophil ist

2016 schrieben Studenten aus der mazedonischen Stadt Veles Fake News, die den US-Wahlkampf beeinflussten. Und heute?

«Der Papst empfiehlt Donald Trump zur Wahl», «Hillary Clinton unter eine Decke mit Kinderschänder-Ring». Erfundene Geschichten wie diese hätten vor zwei Jahren wahrscheinlich die US-Wahl entschieden. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Ohio State University.

Verbreitet wurden viele der Falschmeldungen durch Internetseiten aus Veles, einer mazedonischen Stadt mit 38'000 Einwohnern, etwa so gross wie Thun. Bürgermeister Ace Kocevski ist die Sache immer noch peinlich: «Ich möchte, dass die Stadt für positive Dinge bekannt und berühmt ist und nicht für so etwas».

Plötzlich war Geld da

In den 80er-Jahren, als das Land noch Jugoslawien hiess, war Veles eine florierende Industriestadt. 4000 Menschen arbeiteten in der hiesigen Porzellanfabrik. Heute ist die Fabrik eine Ruine und fast jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos. Viele wandern aus.

Die meisten, die hier Fake News verbreiteten, waren irgendwann Schüler an der technischen Mittelschule der Stadt. Lehrer Gjorgji Gjorgjiev erinnert sich an die wilde Zeit: «Wir sahen auf einmal teure Autos, teure Kleider, teure Mobiltelefone. Wir sahen diese Veränderung in Cafés, in Kleidergeschäften und an Tankstellen».

Die Stadt Veles in Mazedonien
Legende: Die richtige Stadt für falsche News: Veles in Mazedonien. Keystone

Der Mann der Donald Trump versehentlich zum Präsidenten machte

Der Mastermind hinter der mazedonischen Fake-News-Industrie ist Mirko Ceselkoski. Er brachte den jungen Leuten das Handwerk bei.

Der Experte für Internet-Marketing nennt sich zu Werbezwecken immer noch «Der Mann, der Donald Trump versehentlich zum Präsidenten machte».

Er sagt heute: «Was ich tat, war vielleicht nicht ethisch. Aber die ganze Welt tat es. Es endete damit, dass wir ein Epizentrum der Fake News wurden. Die Welt brauchte einen Sündenbock und das waren dann wir».

Mirko Ceselkoski
Legende: Geschäftsmann: Mirko Ceselkoski ist der Mastermind hinter der Fake-News-Massenproduktion. SRF

Von Schlankheitskuren zur Propaganda

Ceselkoski betreibt in Skopje eine erfolgreiche Akademie für Internet-Marketing. Angefangen hätten seine Studenten mit Internetseiten über gesunde Ernährung, Schlankheitskuren und schnelle Autos. «Dann haben wir gemerkt, dass die Leute auf den politischen Seiten viel intensiver und länger verweilen und dass man dort mehr Geld verdienen kann.»

In kurzer Zeit hatten einige so viele Besucher auf ihren Seiten, und verdienten so viel Geld, dass sie bereit waren, rund um die Uhr zu arbeiten. Einige heuterten sogar amerikanische Studenten an, die für sie Texte schreiben.

Fake-News-Business: So wird’s gemacht

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  • Erst erstellt der Betreiber eine Internetseite mit einem eingängigen Namen (z.B. «USA Politics» oder «USA Conservative»). Die Seite sollte ähnlich aussehen, wie bekannte Seiten, damit die Leser rasch Vertrauen fassen.
  • Die Seite wird dann bei Google AdSense registriert. Google schaltet jetzt Werbebanner auf die Seite.
  • Dann erfindet oder kopiert der Betreiber möglichst aufregende Geschichten über Politiker und versieht sie mit einem knackigen Titel und Fotos.
  • Nun werden die Storys über Facebook gestreut. Dazu braucht der Betreiber möglichst viele Profile. Diese kann man selber erstellen oder einkaufen. Nun finden Facebook-User (vor allem in den USA) die Artikel und besuchen die Website.
  • Sobald sie dort auf einen Werbebanner klicken, verdient der Betreiber einen kleinen Betrag. Klicken viele verdient er viel. Einige wurden so zu Milionären.

«Die Party ist vorbei»

Dann wurde die Öffentlichkeit auf die Fake-News aus Veles aufmerksam. Google stoppte die Zahlungen und Facebook schloss mazedonische Profile mit politischen Inhalten. Der Google-Geldstrom in die «Stadt der Lügner» versiegte. Auch wenn sich einige noch mit Seiten über gesunde Ernährung über Wasser halten.

«Die Party ist vorbei», sagt Webseitenentwickler Borche Pechev. Er hatte Dutzende Webseiten gebaut für die Fake-News-Industrie. «Wenn Sie heute versuchen, eine politische Story von einem Computer in Mazedonien auf einer amerikanischen Facebook-Gruppe zu teilen, dann deaktiviert Facebook sofort ihren Account».

Mastermind Mirko Ceselkoski meint: «Es musste irgendwann enden. Aber ich bin stolz, dass ich das Leben vieler Menschen hier im Land verändert habe.»

Allerdings: In den Nachbarländern Albanien, Kosovo und Serbien, soll es Leute geben, die bereits ihre Websites in Stellung bringen für den US-Wahlkampf 2020.

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