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Literatur «Downton Abbey» trifft «Sex and the City»: Die Mitford-Schwestern

Eine war mit Hitler befreundet, die andere kämpfte für den Kommunismus, die dritte wollte ein Pferd sein. Die Biografie über die sechs schrägen Mitford-Schwestern aus dem englischen Landadel ist absolut lesenswert: ein rasanter Familienroman und gleichzeitig ein Zeitzeugnis des 20. Jahrhunderts.

«Ich bin normal, meine Frau ist normal – aber von meinen Töchtern ist eine verrückter als die andere», soll ihr Vater David Mitford gestöhnt haben. Seine sechs Töchter, die Mitford-Schwestern, wurden zwischen 1904 und 1920 geboren. Die Familie wohnte in der Nähe von Oxford.

Da David Mitford eine Abneigung gegen die konventionellen britischen Erziehungsmethoden hatte, besuchten seine Kinder keine Schule, sondern wurden zu Hause unterrichtet. Ausserdem duldetete der Vater keine Besucher. So mussten sich die sechs Schwestern mit sich selbst begnügen: Sie spielten einander zum Teil deftige Streiche, gründeten einen Geheimbund und erfanden mehrere Geheimsprachen.

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Susanne Kippenberger: «Das rote Schaf der Familie – Jessica Mitford und ihre Schwestern.» Hanser Verlag, 2014.

Kein Wunder liest sich die Biographie «Das rote Schaf der Familie – Jessica Mitford und ihre Schwestern» wie ein spannender Familienroman. Gleichzeitig ist das rund 600 Seiten dicke Werk ein anschauliches Geschichtsbuch: Der Spanische Bürgerkrieg, der Zweite Weltkrieg, der Kalte Krieg und der Vietnamkrieg werden behandelt. Auch Kommunismus, Faschismus und Kapitalismus sind Thema – immer aus der persönlichen Perspektive der Schwestern.

Freiheit als wertvollstes Gut

Im Fokus steht das Leben von Jessica Mitford, die fünfte der Schwestern. Jessica war eine leidenschaftliche Kommunistin, Bürgerrechtlerin und Journalistin. Als Zwölfjährige eröffnete sie auf einer renommierten Londoner Privatbank ein «Weglaufkonto» und zahlte während Jahren konsequent darauf ein.

Sie litt darunter, dass sie nicht zur Schule gehen durfte und sah Freiheit damals schon als ihr wertvollstes Gut. Mit dem gesparten Geld wollte sie als junge Frau tatsächlich weglaufen und mit ihrem Freund und späteren Mann – einem Neffen Winston Churchills – in den Spanischen Bürgerkrieg ziehen. Doch es kam anders: Ihre Familie holte sie zurück.

Später hielt sie nichts mehr und sie zog nach Amerika, wo sie für ihre Anliegen und gegen ihr zuwiderlaufende Gesinnungen leidenschaftlich kämpfte. McCarthyismus und Bürgerrechtsbewegung, Free Speech Movement und Black Panther seien hier als Stichworte genannt. Ihr Humor und ihre Schlagfertigkeit zeichneten Jessica besonders aus. Auch wenn sie noch so engagiert kämpfte – sie wirkte dabei niemals verbissen. «Ich weiss, jeder ist einzigartig, aber sie war einzigartiger», sagte ihre jüngere Schwester Deborah über sie.

Eine exzentrischer als die andere

Allerdings stehen Jessicas Schwestern ihr puncto Exzentrik in nichts nach. Nancy, die Älteste, wurde eine scharfzüngige Schriftstellerin. Ihre Werke über die englische Upper Class lesen sich bis heute mit grossem Vergnügen. Pam, die Zweitälteste, fand ihre Erfüllung am heimischen Herd, wäre allerdings am liebsten ein Pferd gewesen.

Die Dritte, Diana, heiratete zuerst einen Guinness-Erben und dann den Faschistenführer Englands. Während des Zweiten Weltkriegs kam sie aufgrund ihrer Gesinning ins Gefägnis, was ihr aber egal war. Unity, die Vierte, wurde eine enge Freundin Hitlers und schoss sich in den Kopf, als England 1939 Deutschland den Krieg erklärte. Die Jüngste, Deborah, war die Aristokratin: Sie wurde Herzogin von Devonshire.

«Downton Abbey» meets «Sex and the City»

Die Biografie «Das rote Schaf der Familie – Jessica Mitford und ihre Schwestern» erzählt unterhaltsam vom Lebensweg der sechs ungewöhnlichen Frauen. Wie die Autorin Susanne Kippenberger selbst feststellt, lässt sich der Inhalt – sehr verkürzt – auf einen Nenner bringen: englischer Landadel trifft auf eigenwillige Frauen – «Downton Abbey» meets «Sex and the City». Dicht, schnörkellos, ohne Wertung.

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