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Egon Amman gestorben Er war von der Sehnsucht getrieben

Der Schweizer Verleger Egon Ammann ist tot. Er war ein begabter Kaufmann – mit einer untrügbare Spürnase für gute Literatur.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Gründer des Ammann Verlags, Egon Ammann, starb letzten Mittwoch in Berlin.
  • Thomas Hürlimann, Ruth Schweikert, Helen Meier, Hansjörg Schneider sind bei ihm gross geworden.
  • 2009 gab er seinen Verlag auf – der Schock in der Literaturszene war gross.

Wenn man Egon Ammann mit einem Wort beschreiben müsste, dann mit diesem: Leidenschaft. In einer Fernsehsendung sagte der damals 70-Jährige: «Wer nur denkt, der liegt falsch. Das Wissen ist nicht wichtig, das Brennen für eine Sache, das ist wichtig.»

Filmporträt über Egon Ammann

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In Hommage an den verstorbenen Verleger zeigt die Sternstunde Kunst am Sonntag, 13. August um 11:55 Uhr auf SRF 1 das stündige Filmporträt «Reisen ohne wegzugehen» von Peter K. Wehrli aus dem Jahr 2002. Mit Egon Ammann kommen darin u.a. auch Svetlana Geier und Thomas Hürlimann zu Wort.

Das Gute im Vielen

Egon Ammann brannte für die Literatur. Ein Leben jenseits von Romanen, Novellen, Gedichten, Essays war bei Egon Ammann schlicht nicht denkbar.

1966 gründete der damals 25-Jährige Verlagsbuchhändler den Kandelaber Verlag. Er bewies bereits damals sein untrübbares Urteilsvermögen, seine Fähigkeit, im Vielen das Gute zu erkennen.

Verleger sein war seine Berufung

Ammann brachte Autoren wie Ludwig Hohl heraus, Gerhard Meier, Felix Philipp Ingold oder Adolf Muschg. Verleger zu sein, sei seine Berufung, sagte er später: «Alles, was ich gelesen hatte, wollte ich immer erzählen. Ich wollte andere daran teilhaben lassen, lesend fliegen zu können.»

Nach dem Konkurs des Unternehmens arbeitete Ammann zunächst als Lektor und stieg dann bei Suhrkamp ein. 1981 dann gründete er in Zürich den nach ihm benannten Ammann Verlag.

Literarische Spürnase und begabter Kaufmann

Ammann führte diesen fast 30 Jahre lang, zusammen mit seiner Frau Marie-Luise Flammersfeld. Der gemeinsame Verlag habe ihre Beziehung immer wieder auf harte Proben gestellt.

«Es ist nicht leicht von morgens bis in die Nacht und zum anderen Morgen mit einem Menschen immer zusammen zu sein und zu arbeiten. Aber es gab wunderbare, beglückende Momente. Da kam das, was wir gemeinsam gemacht haben, in uns selbst zum Tragen und machte uns glücklich», erzählte Ammann.

Der Ammann Verlag mauserte sich im deutschsprachigen Raum schnell zu einer der ersten Adressen für gute Literatur. Dies auch deshalb, weil der Patron – dies ist im Literaturbetrieb eher die Ausnahme – gleichzeitig ein begabter Kaufmann und darüber hinaus eine untrügbare Spürnase für gute Literatur war.

Egon Ammann
Legende: Egon Ammann begann seine Karriere als Verlagsbuchhändler. Imago/Essling

Viele Grosse fingen bei ihm an

Thomas Hürlimann, Ruth Schweikert, Helen Meier, Hansjörg Schneider: Sie alle und viele mehr sind bei Egon Ammann gross geworden. Zudem führte er grosse ausländische Autoren in den deutschsprachigen Raum ein.

Zu den Ammann-Autoren gehörten etwa der Portugiese Fernando Pessoa oder der Nigerianer Wole Soyinka – und dies bevor dieser 1986 den Literaturnobelpreis erhielt.

Der Schock

Gross war in der Literaturszene der Schock, als Egon Ammann 2009 bekannt gab, den Verlag aufzulösen. Der damals 68-Jährige begründete diesen Schritt mit seinem Alter, der schwierigen Marktsituation für gute Belletristik und dem Aufkommen des Internethandels.

Kritische Stimmen monierten, der Patron habe zu wenig nach Möglichkeiten gesucht, das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Vergeblich. Es war das Aus. Doch Egon Ammanns Lebenswerk lebt in einem gewissen Sinn bis heute weiter: in den Autoren, die er entdeckt und gefördert hat.

Von der Sehnsucht getrieben

Er hat sich selbst als ein «von der Sehnsucht Getriebener» bezeichnet. Er sehnte sich nach Besserem, Unentdecktem, nach Dingen, die ihn bereicherten – nicht nach Antworten.

Einst sagte er: «Für mich gipfelt die Sehnsucht in einer Frage. Ich hoffe, dass ich nicht mit einer Antwort aus diesem Leben mich verabschieden muss. Sondern, dass ich mit einer Frage auf den Lippen, zumindest im Kopf, mich verabschieden darf. Es wäre für mich eine furchtbare Vorstellung, mit einer Antwort vergraben zu werden.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 11.8.2017, 17:08 Uhr.

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