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Musik Als Mönche und Schüler zusammen Oper spielten

Rechnen, schreiben und Oper spielen: Opernaufführungen haben in den Innerschweizer Klosterschulen Tradition. Eine Musikwissenschaftlerin hat sich mit der Geschichte der Oper im Kloster Engelberg beschäftigt. Früher galt: Wer nicht spielen will, ist ein kindischer Schwachkopf.

Im 19. Jahrhundert und auch schon früher wurden in Innerschweizer Klosterschulen Opern aufgeführt – erst zum Schuljahresschluss, später in der Fasnachtszeit. Dementsprechend sind die Bibliotheken der Klosterschulen in Engelberg, Einsiedeln und Sarnen voll mit Partituren und Bearbeitungen.

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Premiere der «Engelberger Talhochzeit»
aus Kultur kompakt vom 23.04.2015.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 14 Sekunden.

Ab und zu findet man darunter sogar einen Schatz. Zum Beispiel im benediktinischen Kloster St. Andreas. Dort kam eine komplette Oper zum Vorschein, die jetzt zum ersten Mal in ganzer Länge und mit allen Rollen aufgeführt wird: «Die Engelbergische Talhochzeit» von Franz Joseph Leonti Meyer von Schauensee.

Die Musikwissenschaftlerin Vera Paulus arbeitet in der Musikbibliothek des Engelberger Klosters. Sie hat sich mit der Operntradition bei den Benediktinern in Engelberg befasst.

In den Innerschweizer Internatsschulen wurde nicht nur viel musiziert, es wurden – egal ob in der Buben- oder Mädchenschule – sogar Opern aufgeführt. Warum? Es gehört ja nicht zum Lehrplan, Opern aufzuführen.

Vera Paulus: Es ist nicht richtig, dass es nicht zum Lehrplan gehörte. Opernaufführungen haben ihren Ursprung in den so genannten Jesuiten- und Benediktinerdramen. Diese Aufführungen fanden am Jahresende in den Klosterschulen statt und zwar zur Preisausteilung, bei der die beste Schulleistung prämiert wurde. Die Preisausteilung war öffentlich und dabei wurde ein Schauspiel aufgeführt.

Dass Opern spielen wichtig war, wurde gar in der Engelberger Schulordnung festgehalten: Denn wer wie eine Statue, die am Boden angeschraubt ist, auf der Bühne stehe, sei ein kindischer Schwachkopf.

Die jungen Leute haben also gelernt, sich auf der Bühne zu bewegen.

Auch schon bei den Jesuiten stand im Schullehrplan der Satz: «Sie gehen und stehen und reden. Das müssen sie gelernt haben.»

Eine Oper braucht viel Personal: ein ganzes Orchester, ausgewachsene Sängerinnen und Sänger. Welches Repertoire wurde in den Klosterschulen gespielt?

Es waren einerseits bearbeitete Repertoireopern: «Hänsel und Gretel», «Der Freischütz», «Die Regimentstochter». Es gab aber auch Kompositionen von Einsiedlermönchen, Engelberger Mönchen. Im Orchester sassen dann die Mönche und die Schüler zusammen.

Eine Oper braucht eine Story. Operngeschichten haben meistens etwas mit Liebe zu tun – mit Männer und Frauen oder Burschen und Mädchen. Wie hat man dieses Problem gelöst?

Die Frauenrollen wurden umgeschrieben. Aus den Liebesgeschichten wurden Geschichten rund um ideale Freundschaften.

Opernaufführungen bedeuten viel Aufwand, auch ökonomisch. Wer hat diese Aufführungen finanziert?

Rechnungen sind keine überliefert. Es wurde alles hausintern kreiert.

Dass Bühnen von Mitgliedern des Klosters gebaut wurden, das verstehe ich. Aber wer entwarf die Kostüme? Hatten die Kloster eigene Schneidereien?

Die Klöster hatten eigene Schneidereien. Es ist also durchaus möglich, dass ein Bruder die Kostüme nähte. Einmal kaufte das Kloster aber auch Kostüme der Stanser Theatergesellschaft. Diese war in Geldnot und verkaufte die Kleider – ausser die Ritterrüstungen.

Abgesehen von der Aufführung der «Engelberger Talhochzeit», bei der ja sehr viele Profis mit von der Partie sind: Wie sieht das Opernspielen heute in den Klosterschulen aus?

Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurden nicht mehr zu Jahresschluss, sondern rund um die Fasnachtszeit Opern aufgeführt. Auch heute wird zur Fasnachtszeit eine Aufführung auf die Beine gestellt, das sind aber keine Opern mehr. Die Kräfte reichen nicht mehr aus, es gibt keinen Orchesterbetrieb, der das tragen könnte. Schauspiel ist angesagt.

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