Wenn Richard Strauss bei seinem «Zarathustra» die Streicher, Pauken, Trompeten und sogar eine Orgel auffahren lässt, geht eine musikalische Sonne auf. Stanley Kubricks Film «2001: A Space Odyssey» hat dazu die unvergessenen Bilder geliefert.
Der legendäre Film von 1968 zeigt das Werden der Menschheit in einem kühnen Bogen vom Knochen werfenden Affen bis zum Raumschiff-Flug.
Dazu erklingt die Musik von «Also sprach Zarathustra», der Tondichtung von Richard Strauss. Auch der Sonnenaufgang ist im Film mit dabei. Das ist hochtheatralisch und sehr effektvoll.
Bereits 1896 war Richard Strauss bewusst, was für eine Wirkung von seiner Musik ausgeht. Nach den Proben in Frankfurt schrieb er seiner Frau Pauline: «Zarathustra ist herrlich – weitaus das bedeutendste, formvollendetste, inhaltsreichste und eigentümlichste meiner Stücke».
Sonnenaufgang in Luzern
Auch für den italienischen Dirigenten Riccardo Chailly ist «Also sprach Zarathustra» ein Meisterwerk. Chailly dirigiert das Stück beim Eröffnungskonzert am Lucerne Festival.
Das Werk hat eine starke musikalische Persönlichkeit. Immerhin vertont Strauss darin die Geschichte eines «Helden». Er notierte sich in den Noten bei den einzelnen musikalischen Themen, was sie bedeuten: Sehnsucht, Zweifeln, Erleben oder Erkennen. Das ist immer auf ein «Ich» gemünzt. Wir als Hörer erleben alles hautnah mit.
Verführerisch – mit und ohne Nietzsche
Das Miterleben ist für Chailly der Knackpunkt dieser Musik. Strauss hat sich bei seinen Tondichtungen von Texten anregen lassen, beim «Zarathustra» vom Philosophen Friedrich Nietzsche.
Chailly hat Nietzsche natürlich gelesen – das Publikum brauche das allerdings nicht, meint er. Denn die Musik von Strauss ist so stark, so verführerisch, so effektvoll komponiert, dass sie für sich selbst funktioniert.
Vorsicht: gefährliche Stärke
Das Effektvolle ist ihre Stärke, es ist aber auch eine Gefahr. Für den Dirigenten nämlich. Strauss sei als Dirigent sehr cool und selbstkontrolliert gewesen, sagt Riccardo Chailly.
Strauss habe gesagt, man solle seine Musik wie Mendelssohn dirigieren. Ein extremer Gegensatz: Mendelssohns transparente Klassizität auf der einen, die sehr auf Wirkung bedachte Musik von Strauss auf der anderen Seite.
Musik kontrollieren, Gefühle befreien
Strauss sei sich sehr bewusst gewesen, wie schwierig es werden könne, wenn man sich als Dirigent der Musik hingibt, so Chailly. Dann erreiche man eine «opulenza dei sentimenti», Gefühlsaufwallungen, die über das Ziel hinausschiessen.
Die Musik von Strauss ist in klaren Strukturen geschrieben. Darüber muss der Dirigent den Überblick behalten. Dann ergibt sich für Chailly eine Situation, die paradox erscheinen mag: «Wenn man die Struktur der Musik kontrolliert, erhalten die Emotionen etwas Grenzenloses. Dann ist die Musik tief berührend und geht zu Herzen.»
Sendung: Weltklasse auf Radio SRF 2 Kultur, 11.8.2017, 19.30 Uhr.