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Musik Im Schatten der Eltern: Musikerfamilien sind Fluch und Segen

Wollen Kinder in die Fussstapfen ihrer Eltern treten, ist das nicht immer einfach. Schon gar nicht, wenn der Vater ein Beatle ist – wie bei Sean Lennon. Immer wird sein Talent mit dem seines Vaters verglichen. Mit dem gleichen Schicksal haben auch Martha Wainwright und Christiano deAndré zu kämpfen.

Familie ist ohnehin schwierig, erst recht aber, wenn alle Mitglieder der Familie im gleichen Beruf tätig sind. Einer hat es mal direkt thematisiert: Teddy Thompson.

Sein Vater Richard ist ein grosser britischer Folk-Gitarrist und wurde für seine Arbeit mehrfach von der Queen ausgezeichnet, Mutter Linda ist eine der grossen britischen Folk-Sängerinnen.

Nachteil der Nachkommen

Teddy Thompson hat – mit Hilfe von Nichten und Neffen, Brüdern und Schwestern – ein Album namens «Family» aufgenommen, auf dem die vielfältigen Beziehungen beschrieben werden. Im Titelstück heisst es: «Mein Vater ist einer der grössten Künstler, die je eine Bühne betreten haben, meine Mutter hat die schönste Stimme im Land, und ich steh dazwischen. Sean Lennon, Du weisst, was ich meine.»

Ziemlich sicher weiss er das. Sean ist (wie sein grosser Bruder Julian) Sohn eines Beatle und dazu noch Musiker. Ein schweres Schicksal, denn egal wie viel Talent man mitbringt, der Vergleich mit der Arbeit des berühmten Vorfahren liegt nahe und er fällt meistens zum Nachteil der Nachkommen aus.

Wenn der Vater ein Genie ist

Dhani Harrison, James McCartney, Adam Cohen oder auch Harper Simon kennen das Problem: Meistens will man die Söhne (oder auch Töchter) nur drum hören, weil man die Väter (oder auch Mütter) kennt.

Cristiano deAndré, der Sohn des grossen italienischen Cantautores Fabrizio deAndrè, machte einige Soloplatten, bevor er bei seinem Vater als musikalischer Kopf des Ensembles angeheuert wurde. Auf die Frage, warum er dies tue, gab er zu Protokoll, er «könne nichts dagegen tun, dass sein Vater ein Genie sei und er nicht. Verglichen werde er immer, als habe er den Stier bei den Hörnern genommen».

Schwierige Frage, banale Antwort

Familie ist schwierig. Warum sich also zusätzlich das Leben erschweren und denselben künstlerischen Beruf wählen? Eine psychologisch interessante Frage, auf die es verschiedene Antworten geben kann, darunter auch eine höchst banale: In einem Haushalt voller musikalischer Instrumente greifen die meisten Kinder in die Tasten oder in die Saiten, nicht nur jene, deren Eltern damit ihr Geld verdienen oder weltberühmt sind.

Ein Foto von Martha Wainwright, wie sie 2012 in London performt.
Legende: Martha Wainwright wuchs in Montreal auf und musizierte mit ihrer Mutter und ihrem Bruder seit frühester Jugend. Getty Images

Auf Swing folgt Rock

Kaum einem der obigen ist es gelungen, sich eine eigenständige Stimme zu schaffen, sich so stark zu lösen, dass sich der Vergleich nicht sofort aufdrängt. Es gibt aber einige, die Glück hatten und in anderen Zeiten gross wurden als die Eltern.

Die Väter von Elvis Costello und Pete Townshend (The Who) waren als Trompeter bzw. Saxophonist Big-Band-Musiker und spielten Swing. Die Söhne wuchsen zu Zeiten des Rock'n'Roll auf, wurden Gitarristen und gerieten gar nicht erst in Gefahr, mit ihren alten Herren verglichen zu werden.

Suche nach der richtigen Sprache

Andere mussten den eigenen Ausdruck erst finden: Martha Wainwright, die kanadische Singer-Songwriterin, kommt aus einem musikalischen Clan. Vater Loudon schreibt stark ironische, folkig-bluesige Lieder, Mutter Kate McGarrigle war Folk-Sängerin, Bruder Rufus mag es operettenhaft.

Für sich selbst musste sie eine eigene Musiksprache finden und – auch wenn sie immer wieder mit allen Mitgliedern der Familie musiziert hat – hat sie ihre Sprache gefunden.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 9.11.2016, 16:05 Uhr.

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