Kann man den Kampf gegen Hasskommentare im Netz gewinnen? Vermutlich nicht. Denn gegen organisierte Hassredner und Trollfabriken kommt man in einer Diskussion nicht an.
Antreten sollte man aber dennoch, findet der Kommunikationsberater Hannes Ley. Er hat deshalb vor über einem Jahr die Facebook-Gruppe #ichbinhier gegründet.
Schwedisches Vorbild
In seinem Buch «#ichbinhier – Zusammen gegen Fake News und Hass im Netz» beschriebt Ley die Entstehung der Gruppe. Heute zählt #ichbinhier mehr als 37'000 Mitglieder.
Beitreten kann jeder, in die geschlossene Facebook-Gruppe kommen aber nur Profile, die von #ichbinhier-Moderatoren kontrolliert wurden. Motivation für die Gründung waren die Empörung über das Ausmass des Hasses im Netz. Und der Wille, etwas dagegen zu tun.
Das Konzept für seine Initiative hat sich Ley bei der schwedischen Facebook-Gruppe #jagärhär abgeschaut. Durch gemeinsames, koordiniertes Vorgehen soll im Kampf gegen den Hass etwas erreicht werden – zumindest punktuell.
Gegen Hass anschrieben
Das Kollektiv sucht sich Orte aus, an denen in eine bestehende Diskussion eingestiegen wird. Das sind meistens Posts auf der Facebook-Seite einer Zeitung. #ichbinhier will Hasskommentaren mit sachlicher Gegenrede begegnen, die Gruppenmitglieder unterstützen sich dabei gegenseitig.
In der Gruppe versorgt man sich mit Argumenten und Fakten. Indem die Mitglieder ihre Kommentare gegenseitig liken, verschaffen sie sich mehr Sichtbarkeit. Und sie unterstützen sich moralisch – denn diese Diskussionen können frustrierend sein.
Alex Urban ist seit einem guten Jahr bei #ichbinhier dabei. Er hat Hannes Ley als Leiter der Facebook-Gruppe abgelöst, weil dieser inzwischen andere Aufgaben übernommen hat.
Urban kennt den Frust, der beim Diskutieren im Netz entstehen kann: «Ich wurde in dieser Zeit schon etwas abgehärtet. Aber anfangs hat es mich sehr mitgenommen und sehr geärgert. Man wird ja auch persönlich angegangen.»
Debattieren vor Publikum
#ichbinhier will die Debatte versachlichen und eine konstruktive Diskussionskultur schaffen. Es gehe nicht darum, Meinungen zu ändern.
Wenn sich das Gegenüber einer Debatte verweigert, sei aber nicht viel zu gewinnen. «Da kann man dann nur noch einen Punkt dagegensetzen für den stillen Mitleser, damit er eine andere Perspektive sieht. Und dann muss man rausgehen», sagt Urban.
Man schreibe immer auch für jene, die selbst gar nicht mitdiskutieren, aber die Kommentare lesen, erklärt Urban: «Man muss immer daran denken, dass man sich auf einer Bühne befindet. Bei der Bild-Zeitung lesen potenziell zwei Millionen andere mit.»
Wirken im Kleinen
Wirken könne #ichbinhier «im Kleinen», schreibt Ley. Er appelliert deshalb an Unternehmen wie Facebook, ihren Beitrag zu einer Verbesserung der Debattenkultur zu leisten. Und auch an den Staat – denn ohne gesetzlichen Druck würden die Unternehmen nichts unternehmen.
Die Gruppe will künftig stärker auch offline aktiv werden. Mit Kursen an Schulen will sie Medienkompetenzen stärken, und in der Zusammenarbeit mit Redaktionen ihre Erfahrungen mit Hasskommentaren direkt weitergeben.
Grosser Einsatz im Kleinen
Bei vielen Medienhäusern gebe es noch Handlungsbedarf, sagt Urban: «Es gibt einige Medien, die machen das vorbildlich. Andere lassen es weiterhin einfach laufen.» Es gebe immerhin kleine Fortschritte – einige Medien hätten auf die Kritik der Gruppe reagiert und würden heute auf Facebook stärker eingreifen.
Bis Unternehmen und Gesetzgeber einen entscheidenden Beitrag zu einer besseren Diskussionskultur leisten, setzt #ichbinhier weiterhin auf den Einsatz an der Kommentarfront – im Kollektiv. Trotzdem gibt Hannes Ley in seinem Buch auch einige Tipps für Einzelkämpfer.
Was tun gegen Hasskommentare? Tipps aus dem Buch «#ichbinhier».
Inhalte melden: | Bei Facebook können problematische Inhalte leicht gemeldet werden. Schwerwiegendere Fällen können auch direkt bei der Polizei gemeldet werden. |
Dort handeln, wo es etwas bringt: | Mit einer organisierten Troll-Armee legt man sich besser nicht an. Man sollte dort in die Diskussion einsteigen, wo man sich tatsächlich Gesprächsbereitschaft erhofft. |
Verständnis aufbringen: | Eine erfolgreiche Debatte ist nur möglich, wenn man versucht, das Gegenüber zu verstehen. |
Argumentieren auf Augenhöhe: | Wer auf Schreibfehlern herumreitet oder herablassende Besserwisserei von sich gibt, kann keine konstruktive Debatte führen. |
Fragen statt Fakten: | Gezieltes Nachfragen zeigt Interesse am Gesprächspartner – das bringt mehr, als das Gegenüber mit Fakten zuzudecken. |
Selbstschutz: | Indem man aus verfahrenen Diskussionen aussteigt und böswillige Kommentatoren blockiert, vermeidet man Frust. Und man sollte darauf achten, auf dem Profil keine persönlichen Daten zu veröffentlichen – so verhindert man Angriffe ausserhalb von Facebook. |