Mit dem Wintereinbruch wechseln viele Autofahrerinnen und Autofahrer ihre Reifen. Die Entsorgung kostet zwei bis fünf Franken pro Pneu. Die Garagen geben die Reifen an zertifizierte Betriebe weiter, die sie gemäss Umweltvorgaben entsorgen sollen. Doch es existieren auch illegale Entsorgungspraktiken – insbesondere durch unerlaubte Exporte ins Ausland.
Das Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) und das Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI) haben GPS-Tracker in Reifen eingebaut, deren Profil unter 1.6 mm lag. Diese Reifen dürfen in der Schweiz nicht mehr verwendet werden und gelten laut Gesetz als Abfall.
So konnte die Spur der Altreifen verfolgt werden (dt. Untertitel)
Das Ergebnis: Von 13 getesteten Altreifen wurden nur 5 korrekt recycelt. Zwei landeten illegal in Afrika. Bei sechs Reifen brach das GPS-Signal während des Transports ab – wieso genau, bleibt unklar.
Illegale Entsorgungswege
Die Reifen, die letztlich in Afrika landeten, wurden von nicht autorisierten Personen eingesammelt. Diese fahren systematisch Garagen ab und nehmen Altreifen mit – ohne offizielle Genehmigung zur Sammlung oder zum Export.
RTS gelang es, einen dieser illegalen Händler zu kontaktieren. Er lebt in Nigeria und besitzt mehrere Container in der Industriezone von Chavornay VD. Am Telefon schildert er, dass er die Reifen für drei Franken pro Stück ankauft und nach Afrika exportiert – unter anderem nach Gambia, wo sie für sieben bis zwanzig Franken weiterverkauft werden.
7000 Kilometer per LKW und Schiff
Einer der mit GPS ausgestatteten Reifen legte eine Strecke von fast 7000 Kilometern zurück. Ausgangspunkt war eine Garage in Nyon VD. Von dort wurde der Reifen mehrfach innerhalb der Schweiz transportiert und schliesslich illegal über die Grenze gebracht.
Danach lagerte er monatelang in einem französischen Dorf. Am Ende wurde er verschifft und erreichte Togo.
Vor Ort werden solche abgefahrenen Reifen oft noch ein bis zwei Jahre genutzt, bevor sie auf Deponien landen oder ohne Filter verbrannt werden. Für Länder mit kaum vorhandener Recycling-Infrastruktur stellt das ein erhebliches Umweltproblem dar.
Der offizielle Weg: Verbrennung in Zementwerken
Im Test wurden nur 5 von 13 Reifen korrekt entsorgt. Sie landeten gemäss Umweltvorgaben bei Holcim in Eclépens VD oder bei einem Zwischenhändler im Tessin, der sie an Zementwerke weiterleitet.
Diese Altreifen dienen dort als Brennstoff für Hochtemperaturöfen. Cyrille Roland, Umweltverantwortlicher bei Holcim, erklärt: «Diese Reifen sind problematische Abfälle. Bei Holcim können wir sie verwerten – durch die hohen Temperaturen im Ofen. So sparen wir Erdöl und reduzieren unseren ökologischen Fussabdruck.»
Für das Werk in Eclépens bedeutet das eine Einsparung von rund 10'000 Tonnen Kohle pro Jahr. Das ist relevant, denn die Zementfabrik gehört zu den grössten CO₂-Emittenten der Schweiz. Die Methode hilft, die Umweltbelastung zu senken. «Im Hochtemperaturofen werden die Reifen chemisch umgewandelt. Es bleibt nichts übrig ausser Zement – kein Abfall, keine Rückstände.»
Laut dem Kanton Waadt verursacht die Nutzung von Reifen in der Holcim-Zementfabrik keine spezifische Umweltverschmutzung. Die Behörden auf kantonaler und Bundesebene sehen diesen Weg als die geeignetste Lösung für Altreifen.