Lausanne leidet unter einem schweren Erbe: Einer massiven Verschmutzung durch Dioxine, krebserregende Substanzen, die von der ehemaligen Verbrennungsanlage im Quartier Vallon stammen. Es wurden Werte im Boden gemessen, die bis zu 32-mal über den Bundesnormen liegen. Einige Bewohnerinnen und Bewohner in der Umgebung erkrankten an Krebs und schrieben das den Auswirkungen des Dioxins zu.
Unter dem Druck der Bevölkerung bestellte das Gesundheitsdepartement des Kantons Waadt beim Universitätsspital Lausanne eine Studie. Dieses gab im August 2024 weitgehend Entwarnung. Doch jetzt ziehen gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) zwei renommierte Experten diese Studie massiv in Zweifel. Ihre Methodik sei mangelhaft und ihre Ergebnisse seien «nicht aussagekräftig».
Hören Sie den Originalbeitrag von RTS zum Thema (dt. Untertitel):
Die Studie umfasste hundert Bewohnerinnen und Bewohner Lausannes, aufgeteilt in zwei Gruppen: Eine sogenannte «exponierte Gruppe», die Gemüse und Eier aus ihrem mit Dioxin kontaminierten Garten ass, und eine sogenannte «Kontrollgruppe», die sich mit Produkten ernährte, die im Handel erhältlich waren. Trotz einer Differenz von 21 Prozent Dioxin im Blut für die exponierte Gruppe kamen die Studienautoren zum Schluss, dass das Ergebnis «nicht signifikant» und das Krebsrisiko «minimal» sei.
Die Behörden reagierten auf diese Ankündigung mit Erleichterung. Der damalige Kantonsarzt Karim Boubaker erklärte, die Lausanner seien «nicht mehr Dioxinen ausgesetzt als anderswo».
Methodische Kritik
Doch der belgische Toxikologe Alfred Bernard beurteilt jetzt die Studie als «wissenschaftlich unbegründet» und «nicht aussagekräftig». Seine Hauptkritik: Die Vermischung von Personen, die Eier und Gemüse assen, in der exponierten Gruppe. Da sich Dioxine in tierischen Fetten ansammelten, habe diese Vermischung «die Exposition verwässert» und die Fähigkeit verfälscht, die am stärksten gefährdeten Personen zu identifizieren.
Agostino di Ciaula, Spezialist für Industrieverschmutzung am Universitätsspital der italienischen Stadt Bari, bemängelt, dass man die dioxinexponierte Gruppe nicht mit einer nicht exponierten Gruppe ausserhalb von Lausanne verglichen hat. Ausserdem hält er die Stichprobe von hundert Beteiligten für «sehr schwach» im Vergleich zu den ursprünglich für die Studie vorgesehenen 200. Auch er kommt zum Schluss, dass der Bericht «sehr vorläufig und nicht aussagekräftig» ist.
Eine Studie «nach allen Regeln der Kunst»
Diese Kritik stellt den Entscheid der Behörden infrage, keine vertieften Untersuchungen über die Krebsinzidenz bei der Lausanner Bevölkerung durchzuführen. Auf Anfrage von RTS verteidigt die stellvertretende Kantonsärztin Stéphanie Boichat Burdy die Studie. Diese sei «nach allen Regeln der Kunst» durchgeführt worden und «wissenschaftlich gültig».
Natacha Litzistorf, in der Lausanner Stadtregierung für Umwelt zuständig, sieht «keinen Grund, an der Redlichkeit der Forscher des Universitätsspitals zu zweifeln, zeigt sich aber offen für «andere wissenschaftliche Expertisen».