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Nachhaltigkeit Hunziker-Areal: So funktioniert Zürichs 2000-Watt-Experiment

In Zürich lebt eine Genossenschaft Nachhaltigkeit vor. Die Abkehr von Gewohnheiten fällt auch nach zehn Jahren nicht immer leicht.

Das Hunziker-Areal liegt im Norden Zürichs und wirkt von aussen wie eine gewöhnliche, moderne Siedlung. Doch hinter der Fassade läuft ein Experiment. Vor zehn Jahren hat die Genossenschaft «Mehr als Wohnen» hier einen Wohnkomplex errichtet, der vom Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft inspiriert ist (vgl. Kasten).

Die 2000-Watt-Gesellschaft

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Die Idee dahinter: Jeder Mensch soll gut leben können und dabei nicht mehr als 2000 Watt Dauerleistung verbrauchen. Das entspricht rund einem Drittel des heutigen durchschnittlichen Energieverbrauchs der Schweiz. Zudem sollen die CO₂-Emissionen auf eine Tonne pro Person begrenzt werden. Aktuell liegen diese bei 10 bis 14 Tonnen CO₂ pro Person und Jahr.

Die 2000-Watt-Zertifizierungen bauen heute auf dem Minergie-Standard für Energieeffizienz auf, gehen aber darüber hinaus und berücksichtigen die in den Materialien enthaltene Energie sowie die soziale Nachhaltigkeit. 2025 werden mehr als 30 Projekte in der Schweiz als 2000-Watt-Anlagen zertifiziert sein oder befinden sich in diesem Zertifizierungsprozess.

Die 13 Gebäude des Hunziker-Areals sind mit energieeffizienten Beleuchtungslösungen und Geräten ausgestattet. Gemeinsam genutzte Flächen und autofreie Innenhöfe sollen zeigen, dass ein komfortables Leben in der Stadt durchaus energieeffizient sein kann.

In den bisher zehn Jahren Laufzeit des Experiments hat das Areal seine Emissionen weiter reduziert und diente auch als Inspiration für andere Projekte in der Schweiz. Gemäss der Zertifizierungsstelle erzeugt das Quartier etwa 16.6 Kilogramm CO₂-Äquivalent pro Quadratmeter – rund 20 Prozent unter dem Grenzwert des 2000-Watt-Labels. Mit den eingebauten Heizungs-, Warmwasser- und Lüftungssystemen verbraucht es nur etwa einen Viertel der Energie eines durchschnittlichen Schweizer Wohngebäudes.

Wenig privater Wohnraum

Doch dieser Lebensstil hat auch seine negativen Seiten. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben zwar gelernt, mit wenig Platz und gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen zu leben. Es kann dabei jedoch zu zwischenmenschlichen Spannungen kommen. Offenbar stellt nachhaltiges Leben nicht nur eine technische, sondern auch eine soziale Herausforderung dar.

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Die Gebäude sind so konzipiert, dass eine gemeinschaftliche Nutzung leichtfallen soll. Jede Wohnung verfügt über eine eigene Küche und einen privaten Bereich. Trotzdem gibt es Gemeinschaftsküchen, Veranstaltungsräume und öffentliche Werkstätten. Nur gerade 34 Quadratmeter pro Person stehen im Schnitt zur Verfügung – der Schweizer Durchschnitt liegt bei 45 Quadratmeter. Während zu Beginn des Projekts noch reges Treiben ausserhalb der Wohnungen herrschte, geht es mittlerweile ruhiger zu und her.

Moderne Wohnanlage mit Gebäuden und Innenhof.
Legende: Die Wohnüberbauung Hunziker-Areal in Zürich wurde von der 2000-Watt-Gesellschaft inspiriert. Vera Leysinger / SWI swissinfo.ch

«Zu Beginn waren die Leute sehr aktiv», erzählt Uschi Ringwald gegenüber SWI swissinfo.ch, dem Informationsportal für die Schweizer Community im Ausland. Sie wohnt seit der Eröffnung des Areals hier. «Jetzt wollen viele einfach ein bisschen Ruhe. Jeder braucht seine eigene Höhle.» Trotzdem herrsche ein Gemeinschaftsgefühl, allerdings einfach im kleineren Kreise.

Visionär? Ja, aber …

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Energieexperte Evangelos Panos vom Paul-Scherrer-Institut zeigt sich begeistert vom Experiment auf dem Hunziker-Areal: «Stadtteile wie Hunziker oder Kalkbreite in Zürich beweisen, dass energiesparendes, hochwertiges Wohnen schon heute möglich ist. Sie senken die täglichen Pro-Kopf-Emissionen aus Heizung, Strom und Mobilität im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt um rund 60 Prozent.»

Dennoch sei die Skalierung schwierig, fügt Panos hinzu. «In dicht besiedelten städtischen Gebieten ist dies machbar; in ländlichen Regionen erschweren die Abhängigkeit vom Auto und die unübersichtliche Infrastruktur dies.»

Und er hält fest: «Wahre Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur saubere Energie, sondern auch Kreislaufwirtschaft und die Beschränkung des Konsums auf das Notwendigste. Technologie kann uns ein grosses Stück weiterbringen, aber eine Änderung des Lebensstils ist nach wie vor wichtig.»

Fernwärme aus der Zürcher Abfallverbrennungsanlage, Regenwassernutzung für die Gärten: Auf dem Papier scheint die Genossenschaft ihre Ziele zu erreichen. Doch im Hunziker-Areal prallen Ideale auf Alltagsgewohnheiten. Ein Beispiel: Weniger Fleisch zu essen, ist eine der effektivsten Massnahmen, um den individuellen CO₂-Ausstoss zu reduzieren. Dennoch ist auf dem Areal der Anteil jener, die wenig oder gar kein Fleisch essen, leicht gesunken.

Tagesschau, 4.12.2025, 19:30 Uhr; sten

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