«Das Italienisch im Tessin hat ganz klar eigene Merkmale, die es vom Italienisch unterscheiden, das in Italien gesprochen wird.» Das sagt Aline Kunz, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Bern, gegenüber dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI). «Dasselbe gilt natürlich auch für das Italienisch in Graubünden.»
Kunz ist Mitautorin des Buchs «Italiano in Svizzera. Spazi e realtà», das vom Institut für italienische Sprache und Literatur der Universität Bern herausgegeben wurde. Es ist ein Referenzwerk für Fragen zur italienischen Sprache in der Schweiz und stösst nicht nur bei einem italienischsprachigen Publikum auf Interesse: 2026 soll es auch auf Deutsch erscheinen.
Erläuterungen zweier Mitautorinnen des Buches:
Beispiele für die schweizerische Färbung des Italienischen werden im Buch zahlreiche genannt. Zum Beispiel das Wort «nota» (Hinweis, Vermerk). Es wird in der italienischen Schweiz auch für «Schulnote» verwendet. In Italien ist das nicht gebräuchlich.
Dann gibt es all jene Wörter, die aus den anderen Landessprachen entlehnt wurden, zum Beispiel «Schlafsack» für «sacco a pelo». Die Landessprachen beeinflussen sich also manchmal gegenseitig.
Hin- und Herwechseln zwischen Sprachen
Einen grossen Einfluss auf die Mehrsprachigkeit hatten die interne Mobilität und die Migrationen. Sie trugen zum Wachstum der italienischen Sprachgemeinschaft bei, auch ausserhalb des Tessins und des italienischsprachigen Teils von Graubünden.
In der Fachwelt gebe es in diesem Zusammenhang den Begriff des «Codeswitching», also des Wechselns zwischen zwei Sprachen, beispielsweise Italienisch und Schweizerdeutsch, innerhalb derselben Unterhaltung. «Dies ist ein Charakteristikum des Italienischen in der Deutschschweiz», erläutert Silvia Natale, Mitautorin und Professorin für Linguistik an der Universität Bern. Dieser Codewechsel sei typisch für die Kinder jener, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in die Schweiz kamen.
Veränderte Muster dank digitalen Kanälen
Die Linguistik-Expertinnen haben auch jüngere Bevölkerungsbewegungen unter die Lupe genommen. «Die neue italienische Migration beginnt ab 2007 oder 2008», führt Natale weiter aus. «Im Unterschied zu den Sechzigerjahren handelte es sich zu einem guten Teil um qualifizierte Migration.»
Im Unterschied zu damals gebe es für diejenigen, die in dieser zweiten Periode emigriert sind, andere Möglichkeiten, mit Italien in Kontakt zu bleiben. Das Telefonieren ist günstiger geworden, und es gibt neue Kanäle wie die sozialen Medien oder Videoanrufe.
«Es wird sich zeigen, wie sich die neuen zweiten Generationen verhalten werden. Denn sie können theoretisch in Kontakt bleiben mit dem italienischen Sprachraum», analysiert Natale. Sie spricht von den Kindern derjenigen, die in die Schweiz migriert sind. Es wäre denkbar, dass sie das Italienische auf eine andere Art bewahren als die Kinder der ersten Welle von Migrantinnen und Migranten. Aber das sei, so betont die Professorin, nur eine Hypothese, die noch überprüft werden müsse.