Ditaji Kambundji hat ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Als erste Schweizer Leichtathletin wurde sie Weltmeisterin. Doch der Weg zum Titel war nicht nur von Erfolg, sondern auch von Rückschlägen geprägt. Ein Gespräch über innere Ruhe, Druck von aussen und den unbändigen Willen, immer schneller zu werden.
SRF News: Vor rund drei Monaten wurden Sie Weltmeisterin über 100 Meter Hürden. Wie hat Sie der WM-Titel verändert?
Ditaji Kambundji: Ich habe mir bewiesen, dass ich es kann. Vor dem Wettkampf hatte ich das Gefühl, dass es möglich ist, zu gewinnen. Nun weiss ich, dass ich auf mich zählen kann, wenn es darauf ankommt. Das gibt mir eine innere Gelassenheit.
Das Risiko eines Sturzes ist im Hürdenlauf immer da. Aber für mich waren diese Momente ein Weckruf.
In Ihrer Karriere sind Sie zweimal bei wichtigen Rennen gestürzt. Wie konnten Sie das verarbeiten?
Das Risiko eines Sturzes ist im Hürdenlauf immer da. Aber für mich waren diese Momente ein Weckruf. Ich wusste: Da stimmt etwas nicht, daran muss ich arbeiten. Ich würde nicht sagen, dass ich froh bin, dass es passiert ist, aber ich habe enorm viel daraus gelernt. Es war der Anstoss, sowohl technisch als auch mental Dinge zu verändern.
Was haben Sie konkret verändert?
Einerseits war es ein technisches Problem, eine unkontrollierte Kraftexplosion nach dem Start. Andererseits habe ich gemerkt, dass mein mentaler Zustand vor dem Wettkampf nicht passte. Früher habe ich mich mit aggressiver Musik aufgeputscht, fast so, als würde ich in einen Kampf ziehen. Ich dachte, ich brauche das, um meine Leistung abrufen zu können.
Es geht darum, die Kraft, die ich habe, kontrolliert einzusetzen.
Und heute?
Ich habe gemerkt, dass das nicht zu mir passt. Ich bin viel mehr der Typ, der vor dem Wettkampf mit Atemtechnik und Meditation zur Ruhe kommt. Ich muss fokussiert und konzentriert sein. Nicht, dass ich eine Schlaftablette wäre vor dem Rennen und mich kaum bewege, aber ich bin sehr bei mir und klar. Wer in einem Hürdenrennen die wenigsten Fehler macht, hat die besten Chancen zu gewinnen. Es geht darum, die Kraft, die ich habe, kontrolliert einzusetzen.
Als Weltmeisterin sind Sie nun die Gejagte. Erhöht das den Druck?
Ich sehe es weniger als Druck, sondern mehr als ein Zutrauen. Es ist schön, dass die Leute mir heute vieles zutrauen. Aber natürlich bin ich gespannt, wie es sein wird, in dieser neuen Rolle zu starten. Unterschätzt werde ich von meinen Konkurrentinnen nun wohl nicht mehr.
Ich bin überzeugt, dass ich mich noch verbessern und weitere Fortschritte erzielen kann.
Ihre Schwester Mujinga Kambunji hat den Weg vorgespurt und als Schweizer Sprinterin neue Massstäbe gesetzt. Wie wichtig war sie für Sie?
Enorm wichtig. Ich habe stark von ihr profitiert. Die ganze Trainingsstruktur, das Umfeld, das Medical Team – das hat sie alles aufgebaut, auch ein bisschen durch Trial and Error. Ich konnte das übernehmen und anpassen. Und vor allem habe ich durch sie gesehen, was möglich ist. Ich hatte nie das Gefühl, dass internationale Medaillen ein zu hoch gesteckter Traum sind.
Sie sind erst 23 und schon Weltmeisterin. Haben Sie noch Ziele?
Absolut! Ich bin überzeugt, dass ich mich noch verbessern und weitere Fortschritte erzielen kann. Nächstes Jahr ist die EM. Dort habe ich schon Bronze und Silber gewonnen, Gold wäre schön. Aber es geht nicht nur um Titel. Man kann immer seine persönliche Bestleistung und den Schweizer Rekord verbessern. Mein Ziel ist es, jedes Jahr schneller zu sein als im Jahr zuvor.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.