Die Geburtenzahl in Südkorea ist seit Jahren rückläufig. Setzt sich dieser Trend fort, wird sich die derzeitige Bevölkerung von rund 51 Millionen Menschen bis zum Jahr 2100 halbieren.
Schon heute geht die Zahl der Einschulungen zurück. In Zukunft drohen fehlende Arbeitskräfte, auch das Rentensystem ist gefährdet.
Teure Wohnung und Ausbildung
Gerade in der Hauptstadt Seoul sind die Wohnungen teuer. Ausserhalb der Stadt zu leben wäre zwar günstiger, doch die langen Pendelzeiten sind bei den langen Arbeitszeiten eine zusätzliche Belastung. In vielen Betrieben arbeiten die Mitarbeitenden 52 oder mehr Stunden pro Woche.
Nebst der Wohnung verschlingt auch die Ausbildung der Kinder viel Geld. Um später auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein, schicken viele Eltern ihre Kinder in Nachhilfestunden oder auf teure Privatschulen und private Universitäten, vorausgesetzt das Geld ist vorhanden.
Gesellschaftlicher Wandel
Die Einstellung gegenüber der Ehe, der Familie und der Geschlechterrolle hat sich verändert. In der Arbeitswelt ist dieser Wechsel aber noch nicht überall angekommen. Die jungen Südkoreanerinnen stehen oft vor der Entscheidung, Karriere oder Kinderkriegen.
«Ich schätze meine Karriere und meine persönliche Zeit, Reisen und Ähnliches. Kinder würden das wohl einschränken. Deshalb habe ich nicht vor, Kinder zu kriegen», erklärt die 24-jährige Son Soo-Hyun.
Auch Sinologie-Studentin Park Bo-Ram will keine Kinder: «Ich habe einen rund zwölf Jahre jüngeren Bruder, den ich praktisch grossgezogen habe. Ich habe daher das Gefühl, dass ich so viele Dinge aufgeben müsste, wenn ich mein eigenes Kind grossziehen würde.»
Massnahmen verpuffen
Die Regierung steckt seit Jahren Milliarden in Programme für mehr Nachwuchs. So gibt es beispielsweise subventionierte Wohnungen für Familien und Zuschüsse für die Kinderbetreuung. Doch bisher sind die Massnahmen erfolglos geblieben.
Die Probleme müssten tiefer angegangen werden und zusätzliche Massnahmen seien nötig, ist Choi Yoon-Kyung vom südkoreanischen Institut für Kinderbetreuung und Ausbildung überzeugt.
«Es ist wichtig, die Probleme der Ungleichheit in der Gesellschaft anzugehen. Ich denke, es ist wichtig, ein soziales Sicherheitsnetz zu haben, das dafür sorgt, dass junge Menschen weiterhin vielfältige Lebensstile und Möglichkeiten haben», ist sie überzeugt.
Kinder? Nein Danke
An verschiedenen Orten in Südkorea sind Kinder unerwünscht. «Keine kleinen Kinder» steht an einigen Türen von Restaurants und Cafés. Begründet werden die Zonen mit «störendem Lärm» oder «rücksichtslosen Eltern».
Auch die Benutzung des öffentlichen Verkehrs sei mit kleinen Kindern schwierig, sagt Park Seo-Youn. Die 30-Jährige ist zum zweiten Mal schwanger. «Ich brauche fast doppelt so lange, wenn ich mit einem Kinderwagen die U-Bahn nehme, als wenn ich alleine unterwegs bin, weil ich lange auf den Lift warten muss.» Selbst an grösseren Bahnhöfen gäbe es oft nur einen einzigen Lift für Personen mit einem Kinderwagen.
Die selbstständig erwerbende Park will auch mit zwei Kindern ihren Beruf nicht völlig aufgeben. Sie möchte für ihre Kinder ein Vorbild sein, sodass diese es später einfacher hätten, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen.