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International Der IS sucht Aufmerksamkeit mit der «Ramadan-Kampagne»

Hinter den jüngsten Terroranschlägen wird mehrheitlich der IS vermutet. Dieser fährt dabei eine Doppelstrategie: Er organisiert die Anschläge selbst und zählt gerade während dem heute endenden Ramadan auf die Aktionen von Sympathisanten.

Es vergeht kaum ein Tag ohne Terrormeldung. Mitte Juni richtete ein Einzeltäter in einem Nachtclub in Orlando ein Massaker an. Vor wenigen Tagen erschütterten die Anschläge von Istanbul, Bagdad und Bangladeschs Hauptstadt Dhaka die Welt. Heute erst sprengte sich ein Terrorist in Saudi Arabien in die Luft. Hinter allen Taten wird die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) vermutet.

Markus Kaim

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Legende: SWP

Markus Kaim führt den Bereich Sicherheitspolitik der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Er beschäftigt sich mit transatlantischen Sicherheitsbeziehungen, der Rolle der UNO bei internationalen Konfliktregelungen und den Rahmenbedingungen multinationaler Militäreinsätze.

Hat der IS überhaupt die Ressourcen, um so viele Aktionen durchzuführen? Erteilt er als militärische Organisation die Befehle zu den Anschlägen oder ist er eher als lose Bewegung zu verstehen, dessen Anhänger spontan Anschläge durchführen?

IS operiert auf mehreren Ebenen

Für Markus Kaim, von der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik, ist beides möglich, weil der IS ein hybrider Akteur ist.. Für den Nahost-Experten ist der IS…

  • …eine Terrororganisation mit klaren terroristischen und eher vagen politischen Zielen, die auf viele Anhänger und Nachahmer zählen kann.
  • …eine militärische Organisation, die in Syrien und im Irak grossangelegte Kampfhandlungen und militärische Operationen und Anschläge durchführen kann.
  • …ein quasi-staatlicher Akteur, der über ein Territorium, ein Volk und über eine Regierung verfügt, welche mit Öl handelt, die Nahrungsmittelversorgung sicher stellt und öffentliche Dienste wie Bildung anbietet.

Wenn der IS eine Funktion nicht wahrnehmen könne, dann lege er seinen Schwerpunkt auf eine andere, sagt Kaim. Dies sei im Moment der Fall. «Wegen der massiven Gebietsverluste in Syrien und im Irak sind die militärische Organisation und das staatliche Gebilde unter grossen Druck geraten. Der IS sucht nun Aufmerksamkeit in Terroranschlägen.»

«Ramadan-Kampagne» als Grund für Terrorserie

Ähnlich sieht es der Islam- und Nahostwissenschaftler Stephan Rosiny vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg. Auch er glaubt, dass die Anschläge sowohl militärisch organisiert, als auch von Sympathisanten ohne Anleitung ausgeführt worden sind.

Den Grund für die aktuelle Häufung von Anschlägen sieht Rosiny in einer «Ramadan-Kampagne». Abu Muhammad al-Adnani, der Pressesprecher des IS, hat bereits im Mai alle Anhänger dazu aufgefordert, während dem heute endenden Ramadan weltweit Anschläge zu verüben – und damit die Propaganda-Maschine des IS am Laufen zu halten.

Stephan Rosiny

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Legende: Giga

Stephan Rosiny ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien Giga in Hamburg. Er leitet Forschungsgruppen und hat seinen Forschungsschwerpunkt auf Friedens- und Sicherheitsstudien. Er beschäftigt sich mit den Themen wie Gewalt und Religion und dem Islamismus in Nahost.

Von Gebietsverlusten ablenken

Mit den Terrorakten verfolge der IS gleich mehrere Ziele. Es gehe ihm vor allem darum, von den eigenen grossen Gebietsverlusten abzulenken. «Die Anhänger und die Gegner des IS sollen im Glauben gelassen werden, dass er immer noch jederzeit zuschlagen kann, Aufmerksamkeit für seine Anliegen bekommt und sein ‹Kalifat› verteidigen kann.»

Ausserdem nutze der IS die Anschläge, um die Moral seiner Kämpfer im Irak und in Syrien zu steigern. Diese leide immer mehr unter den herben Gebietsverlusten.

Anschläge schaden dem IS

«Letztlich schaden die Anschläge jedoch dem Staatsbildungsprojekt des IS», sagt Rosiny. Denn mit jedem Terrorakt würden neue Gegner entstehen und der Druck auf das eigene Territorium immer mehr wachsen.

Der Niedergang des IS als Territorialstaat sei ohnehin nicht mehr aufzuhalten. «Die Sogwirkung der Terrororganisation ist verblasst.» Während auf dem Höhepunkt jeden Monat 2000 neue Kämpfer ins Kriegsgebiet strömten, seien es jetzt nur noch knapp 200. Dazu nehme die Zahl der Deserteure stetig zu.

Die Frage bleibe, was diese nach ihrer Zeit als aktive Kämpfer tun würden, sagt Rosiny. «Die Kämpfer stehen grösstenteils auf internationalen Fahndungslisten, haben keinerlei Zukunftsperspektiven und nichts mehr zu verlieren.» Viele könnten den einzigen Ausweg im vermeintlichen Weg ins Paradies durch einen Selbstmord-Anschlag suchen.

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