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International Lesbos: Schwieriges Leben im Ausnahmezustand

Bis zu 8'000 Menschen am Tag: So viele Flüchtlinge wie noch nie kommen über die griechischen Inseln nach Europa – die meisten über die Insel Lesbos. Die ankommenden Boote gehören für die Einwohner der Ägäis-Insel mittlerweile zum Alltag. Sich daran gewöhnen können viele aber trotzdem nicht.

Der malerische Fischerhafen von Skala Sikamias, einem 150-Seelen-Dorf im Norden von Lesbos, gegenüber der türkischen Küste: Stratoula Tragieli sitzt auf einer Bank zusammen mit ihrer Freundin Emi und deren einjährigen Enkelin. Während sie plaudern, sehen sie in der Ferne ein Schlauchboot mit Flüchtlingen.

Es sei nur eins von vielen, die täglich an den Stränden ihres Dorfes ankommen, sagt die 66-Jährige: «Viele Menschen, die ankommen, fallen in Ohnmacht, andere sind krank, wir sehen solche Szenen jeden Tag.» Es seien so viele Menschen, darunter viele Babys, einige seien noch knapp bei Bewusstsein. «Es tut uns so weh, das zu sehen!»

Die Fischer helfen den Menschen in Not

Ein paar Meter weiter streicht Stratis Kaitatzis sein blauweisses Fischerboot mit frischer Farbe. Für ihn als Fischer sei die Situation besonders schlimm, klagt er. Mit den gestrandeten Schlauchbooten komme Öl ins Wasser. «Was für Fische sollen wir da noch fangen?», fragt er. Auch komme er gar nicht zum Arbeiten: «Immer wenn wir raus fahren, treffen wir auf Schlauchboote mit Flüchtlingen und helfen ihnen, die Küste zu erreichen.» Ihnen bleibe schliesslich gar nichts Anderes übrig. «Sollen wir die Leute ertrinken lassen?»

Audio
Flüchtlingsdrama im Alltag – Gewöhnung gibt es nicht
aus Rendez-vous vom 17.11.2015.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 41 Sekunden.

Doch nicht alle Flüchtlinge haben das Glück, gerettet zu werden. Allein an einem Tag Ende Oktober, als ein Holzboot mit 300 Insassen vor der Küste der Insel kenterte, kamen mehr als 60 Menschen ums Leben.

Kein Platz mehr auf dem Friedhof

Wer nicht in sein Heimatland überführt wird, findet seine letzte Ruhe auf dem Friedhof vom Heiligen Panteleimon in Mytilini, der Hauptstadt der Insel. Friedhofswächter Christos Mavrahilis zeigt auf eine Fläche am Rande des christlichen Friedhofs. Dort sind die Grabfelder für Muslime, diese Gräber zeigen Richtung Mekka. Es sind alles Menschen, die ertrunken sind. «Hier liegt ein zweijähriges Kind und hier noch eins, wir haben sie am selben Tag begraben», sagt der Friedhofswächter.

Der 53-jährige stockt. Dann schüttelt er den Kopf und wird sachlicher: «Aber wir haben keinen Platz mehr.» Die Stadt will zwar den Friedhof erweitern. «Doch bis es soweit ist, kann ich keine weiteren Begräbnisse machen.»

Zwischen der Türkei und unserer Insel sollte es eine Fähre für Flüchtlinge geben.
Autor: Marios Andriotis Pressesprecher der Hauptstadt Mytilini

Auch das Leichenhaus von Mytilini platzt mittlerweile aus allen Nähten, erklärt Marios Andriotis, Pressesprecher der Stadt: «Wir haben einfach keine Infrastruktur für so viele Tote.» Er ist der Meinung, dass es zwischen der Türkei und Lesbos eine Fähre für Flüchtlinge geben sollte. «So würden die Menschen sicher zu uns kommen, ohne in die Hände der Schmuggler zu geraten.»

Den dazugehörigen Vorschlag habe die Stadt der EU schon längst unterbreitet, sagt Andriotis. Er hofft nun, dass es nach den letzten Ereignissen in Paris zu keiner Verschärfung der europäischen Flüchtlingspolitik kommt. «Denn dies würde die Reise nach Europa für die Flüchtlinge gefährlicher machen und noch mehr Menschen das Leben kosten.»

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