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International «Noch stehen sämtliche Zeichen auf Sturm»

Auch wenn Alexej Arbatow kein Putin-Anhänger ist, empfindet der ehemalige Abgeordnete der sozialliberalen Yabloko-Partei die Russland-Politik des Westens als feindselig. Der Politiker, Rüstungs- und Strategieexperte plädiert dringend für den Dialog. Sonst drohe Schlimmes.

Der Vater von Alexej Arbatow, Georgi, war ein berühmter und hochdekorierter sowjetischer Wissenschaftler. Sein Sohn ist weitaus weniger regimetreu. Doch seine russische Seele verleugnet auch Alexej nicht. «Ich kann mich seit dem Höhepunkt des Kalten Kriegs nicht an ähnlich intensive und feindselige Propaganda des Westens erinnern», stellt er fest.

Dass die Nato-Verteidigungsminister soeben beschlossen haben, in Osteuropa aufzurüsten und 4000 Mann ständig dort zu stationieren, sehe man in Russland ganz klar als feindseligen Akt.

Brandgefährliches Misstrauen

Der 65-jährige Politiker und Strategieexperte Arbatow, der in zahlreichen russischen und internationalen Denkfabriken mitwirkt, kritisiert gleichzeitig sein eigenes Land: Auch in Moskau laufe die antiwestliche Propagandamaschine auf Hochtouren. Auch räumt er ein, dass die zusätzlichen Nato-Einheiten am Ostrand des Bündnisses natürlich keine ernsthafte Herausforderung für die russische Armee darstellten.

Doch das Problem bleibe bestehen: Weder in Russland noch im Westen erfassten die Regierenden und die Bevölkerung die Dramatik der Lage, so Arbatow. Es sei brandgefährlich, wie zurzeit das gegenseitige Misstrauen zunehme. Er spricht von einem neuen Rüstungswettlauf, der sowohl konventionelle als auch nukleare Waffen betreffe. Dies sei das beste Rezept für einen echten Krieg.

In zehn Jahren haben wir ein Vakuum bei der nuklearen Rüstungskontrolle.

Den Experten für Massenvernichtungswaffen irritiert speziell, dass beide Seiten wieder massiv in immer potentere Atomwaffen investierten. Zwar funktioniere der New-Start-Abrüstungsvertrag von 2010, Moskau und Washington hätten ihre Arsenale zahlenmässig tatsächlich reduziert. Doch der Vertrag laufe 2021 aus und sei höchstens um fünf Jahre verlängerbar.

Danach stehe man vor dem Nichts: «In zehn Jahren haben wir ein Vakuum in diesem wichtigsten Gebiet der nuklearen Rüstungskontrolle.» Trotzdem werde auf beiden Seiten rein gar nichts getan, um an die überaus nützlichen Abrüstungsabkommen früherer Jahrzehnte anzuknüpfen.

Vertrauen gewinnen kostet Arbeit

Eine militärische Konfrontation sei trotzdem keineswegs unausweichlich, betont Arbatow. Als Politiker und Wissenschaftler müsse er optimistisch sein. Als erstes sollte man nun mit allen Kräften versuchen, den Krieg in der Ostukraine zu beenden.

Audio
«Das beste Rezept für einen echten Krieg»
aus Rendez-vous vom 15.06.2016.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 12 Sekunden.

Um das zu schaffen, müsse eine ganze Reihe anderer Fragen geklärt werden: Wie soll künftig die europäische Sicherheitsarchitektur aussehen? Welche Rolle spielen Nato, EU, OSZE? Erst wenn dies alles ernsthaft diskutiert werde, entstehe allmählich Vertrauen. Und erst nach einem Frieden in der Ostukraine könne man auch das Krim-Problem angehen. Man müsse einen Schritt nach dem anderen machen.

Schliesslich stelle sich die Frage, welche Rolle Russland künftig in Europa spielt. Anders als für Präsident Wladimir Putin und seine Getreuen gibt es für Arbatow keine Alternative zu Russlands Orientierung in Richtung Europa, ja sogar zur Integration in Europa – was nicht zwingend der Beitritt zur EU bedeute. Allerdings ginge das wesentlich leichter, wenn die OSZE zur Schlüsselorganisation für Sicherheit in Europa würde. Denn der Nato misstraue Moskau seit jeher abgrundtief.

Annäherung in weiter Ferne

Entscheidend sei, dass Russland mit Respekt und als gleichwertiger Player behandelt werden. Vor allem die USA müssten Russland als Grossmacht respektieren. Dabei ist auch Arbatow klar, dass sein Land wirtschaftlich keine Grossmacht sei. «Politisch und militärisch aber schon!» Das habe der Westen zu akzeptieren.

Nur wenn die Entwicklung in diese Richtung geht, sieht Arbatow einen Ausweg aus der aktuellen Krise. Doch noch ist man seiner Ansicht nach von einer solchen Annäherung weit entfernt. «Noch stehen sämtliche Zeichen auf Sturm», stellt er fest.

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