Erst einen Tag ist er vereidigt – und schon muss sich der italienische Ministerpräsident Enrico Letta einem Vertrauensvotum stellen. Seine Demokratische Partei (PD) hatte zwar vor zwei Monaten die Parlamentswahlen gewonnen, verfügt im Senat jedoch über keine Mehrheit.
Die Debatte zur Vertrauensabstimmung könnte bis in den Abend gehen, so SRF-Korrespondent Philipp Zahn in Rom. «Es wäre fatal, wenn Letta nicht die Mehrheit bekäme.» Seine grössten Gegner befänden sich in seinem eigenem Lager, der PD. Doch dort hätten sich die Wogen mittlerweile geglättet.
Linke und rechte Kräfte
Letta will das Land mit einer grossen Koalition aus der Krise führen. Zum ersten Mal seit langem regiert damit in Italien ein Bündnis linker und rechter Kräfte. Auch Silvio Berlusconis Mitte-Rechts-Partei PdL ist in der Koalition. Mit von der Partie ist auch die kleine Zentrumspartei des bisherigen Ministerpräsidenten Mario Monti.
Die separatistische Lega Nord von Roberto Maroni, die populistische Protestbewegung «Fünf Sterne» des Komikers Beppe Grillo und die kleine Links-Partei SEL gehen in die Opposition.
Streithähne in einer Koalition
Die beiden grossen Parteien in der Koalition sind allerdings verfeindet. Bei den Streitereien ging es meistens um Silvio Berlusconi, den früheren Ministerpräsidenten.
«Auch künftig wird Berlusconi seine Macht ausüben. Er wird das Land nur so lange unterstützen, wie es ihm politisch und juristisch nützt», sagt SRF-Korrespondent Massimo Agostinis.
Ist diese Regierung demnach von vornherein zum Scheitern verurteilt? Das müsse nicht zwangsläufig so sein, sagt Agostinis. «Die beiden alten Parteien, die Demokratische Partei und Berlusconis Partei, haben Angst vor Grillos Partei. Diese könnte bei den nächsten Wahlen noch mehr abräumen, sollten die alten Parteien weiterhin streiten.»
Jung und weiblich
Die Ministerriege von Letta ist jung. Was auch auffällt: Sieben Frauen sind in der Regierung. Die Linke stellt neun Minister, Berlusconis Seite fünf. Dazu kommen Politiker der bürgerlichen Mitte sowie eine Reihe von Technokraten.
«Die neue Zusammensetzung ist ein Zeichen für das konservative, teilweise rückständige Land», so Agostinis. Die Jungen in Italien fordern seit Jahren mehr Mitsprache.
Arbeitslosigkeit und Wirtschaft im Fokus
Letta wird heute auch sein Regierungsprogramm vorstellen. Laut SRF-Korrespondent Philip Zahn wird er sein Augenmerk erstmals auf konkrete Massnahmen richten um die akute Wirtschaftskrise und die Arbeitslosigkeit im Lande zu bekämpfen.
Die Arbeitslosigkeit ist auf über 12 Prozent gestiegen. Unter jungen Italienern liegt die Arbeitslosigkeit teilweise gar bei über 40 Prozent. So könnte die neue Regierung gemäss Zahn diesbezüglich konkrete Massnahmen vorstellen. Unter anderem könnte die Regierung versuchen, die Unternehmenssteuer zu senken. Auf der anderen Seite soll weiter daran gearbeitet werden, die Ausgaben des Staates zu reduzieren.
Die Regierung muss zudem das Wahlrecht reformieren und die beiden Kammern des Parlaments verschlanken.