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International Kommentar: «Krawalle haben nichts mit links oder rechts zu tun»

Brennende Autos, Barrikaden, die errichtet und in Brand gesteckt werden, eingeschlagene Scheiben: das sind die Bilder, die uns aus Frankfurt erreichen. Es ging eigentlich um anderes, Wichtigeres. Um die Politik der Europäischen Zentralbank. Nur ging das in der Gewaltorgie einmal mehr unter.

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Ausnahmezustand in Frankfurt
aus Echo der Zeit vom 18.03.2015. Bild: Keystone
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Zwei kühn gebaute, riesige Bürotürme wurden heute eingeweiht. Kühn, riesig, unübersehbar: So stellt sich die EZB in Frankfurt jetzt dar. Ein Symbol. Dass bei der Eröffnung dieses Symboles gegen die Politik demonstriert wird, welche diese Institution EZB vertritt, ist legitim. Das muss möglich sein.

Diese Politik sei unmenschlich. Die EZB rette Banken und hungere das Volk aus in Griechenland, Spanien, Portugal. Sagen die Demonstrierenden. Zu tiefe Löhne würden noch gekürzt, das Gesundheitssystem zerstört, der Staat ausverkauft, während man die Banken mit Milliarden aufpäppele. Das kann man so sehen. Das darf man so sagen. Die das sagen, kamen aus allen Ecken Deutschlands aber auch Europas. Linke Splittergruppen, Gewerkschaften, Kapitalismus-Kritiker und Entwicklungsorganisationen, Gäste aus Griechenland von Syriza und Podemos aus Spanien. Die Organisatoren, die sich «Blockupy» nennen, kündigten «laute, aber friedliche Demonstrationen» an.

Und die gab es auch. Die meisten der rund 10 000 Demonstrierenden blieben friedlich, viele fröhlich, einige originell.

Aber es kamen auch wieder die anderen. Vermummt, ihre Gesichter feige verdeckend, sie bewarfen Polizisten mit kiloschweren Pflastersteinen, zündeten Autos an, griffen Verwaltungsgebäude, Polizeistationen an. Was das mit links oder rechts oder gar mit der EZB zu tun hat, ist schnell beantwortet: Gar nichts.

Wer daran noch zweifelt – und es gibt einige, die das anders sehen – muss beispielsweise erklären, was es mit dem Kampf für die Benachteiligten zu tun hat, wenn man versucht alles kurz und klein zu schlagen in einem Heim, in welchem traumatisierte Flüchtlingskinder behandelt werden. So geschehen in Frankfurt.

Casper Selg

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Legende: casperselg.ch

Seit mehr als 35 Jahren ist Casper Selg Journalist. Er leitete das «Echo der Zeit» und war Radio-Korrespondent in den USA und nach 2010 in Berlin. Seit seiner Pensionierung im Sommer 2015 arbeitet er als freier Journalist und Ausbildner. Er ist Mitglied des Schweizer Presserates.

Die Gewalt von Chaos-Touristen bewirkt das, was sie immer bewirkt: Nach den Protesten von Frankfurt wird man nicht weiter über die Politik der EZB diskutieren, sondern über 100 verletzte Polizisten, über gewaltige Sachschäden, vor allem über Massnahmen, mit denen solche Demonstrationen verhindert werden können. Und nicht etwa ermöglicht.

Wenn Blockupy, wenn die Organisatoren sich jetzt zwar von der Gewalt distanzieren, gleichzeitig aber geltend machen, die Polizei habe das alles selber ausgelöst mit ihrem Grossaufgebot, dann tragen sie das ihre zu dieser fatalen Entwicklung bei. Es reicht nicht, die Gewalt im Nachhinein zu bedauern. Man müsste sich im Voraus klar von Gruppierungen distanzieren, welche bereit sind, Gewalt auszuüben. Und: man müsste die Demonstrationspläne nicht wie hier geschehen auf eine möglichst kreative Konfrontation mit der Polizei, sondern auf eine möglichst kreative Auseinandersetzung mit der EZB ausrichten.

Die kühnen Türme blieben unberührt. Das System dahinter kriegt nicht die Beachtung, die beabsichtigt war. Die Diskussion nach Frankfurt dreht sich um Gewalt statt um Gerechtigkeit.

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