Der Ausbruch von Gewalt in Libyen mit Dutzenden Toten hat Besorgnis ausgelöst und ist von Washington, Berlin und der UNO-Mission Unsmil scharf kritisiert worden.
US-Aussenminister John Kerry verurteilte die jüngste Eskalation und rief zum Dialog auf. «Libyer haben ihr Leben in der Revolution 2011 nicht riskiert, um eine Fortsetzung der Gewalt zu sehen», hiess es in einer Erklärung. «Libyer haben gekämpft, um ein demokratisches System zu etablieren, in dem die Stimmen der libyschen Bevölkerung auf friedliche Weise Gehör finden.»
Scharfer Protest der UNO
Die Libyen-Mission der Vereinten Nationen Unsmil verurteilte die Gewalt scharf und verlangte ein sofortiges Ende des Blutvergiessens. Die Libyer sollten ihre Differenzen mit friedlichen Mitteln lösen, hiess es.
Nach dem Tod Dutzender Demonstranten am Freitag waren in Libyen am Samstag erneut Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen ausgebrochen. Bei den Kämpfen sei am Samstag ein Mensch getötet und acht weitere verletzt worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Lana.
43 Tote und über 460 Verletzte
Grund für die neue Gewalt waren die blutigen Zusammenstösse zwischen Bürgern in Tripolis und Milizionären aus Misrata am Vortag. Nach Angaben des Innenministeriums kamen mindestens 43 Menschen ums Leben, mehr als 460 wurden verletzt. Demonstranten waren nach dem Freitagsgebet zum Sitz der Miliz in der Hauptstadt gezogen. Sie wollten die Kampfbrigade vertreiben. Doch bewaffnete Kämpfer eröffnete das Feuer auf die Menschenmenge.
Wie die Agentur Lana ferner berichtete, gaben Politiker aus Misrata der Stadtverwaltung in Tripolis die Schuld an dem Blutbad. Die Behörden hätten die Demonstranten auf andere Plätze lenken sollen und nicht zulassen sollen, dass der Marsch zum Hauptquartier der Brigade geht, hiess es.
Kampagne gegen Milizen
In Tripolis wurden derweil drei Tage Trauer ausgerufen. An einem Gedenken an die Toten nahmen im Zentrum der Stadt Hunderte Bürger teil. Zudem rief der Stadtrat die Bürger zu einem dreitägigen Generalstreik auf. Der Streik sei von heute Sonntag an für alle öffentlichen und privaten Sektoren beschlossen.
Wie es in einer Erklärung des Stadtrates vom späten Samstagabend weiter hiess, ist die Massnahme ein «Zeichen der Trauer und der Solidarität» mit den Angehörigen der Todesopfer. Stadtratspräsident Sadat Al-Badri kündigte eine Kampagne des zivilen Ungehorsams an, «bis diese Milizen abziehen».
Revolutionsbrigaden nicht im Friedensmodus
Erst vor einer Woche hatten sich rivalisierende Milizionäre in Tripolis heftige Gefechte geliefert. Dabei war ein Mann getötet worden. Auslöser war damals ein Streit zwischen einem Milizionär aus Misrata und lokalen Milizen an einer Strassensperre.
Viele «Revolutionsbrigaden», die im Kampf gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi stark wurden, wollen sich bis heute weder entwaffnen noch in den staatlichen Sicherheitsapparat eingliedern lassen. Im Oktober wurde Ministerpräsident Ali Seidan zeitweise von Bewaffneten entführt.