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Landesverteidigung outsourcen?
Aus Echo der Zeit vom 04.09.2022. Bild: Keystone
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Militärische Kooperationen Verteidigung regelt nicht länger jeder für sich

Ab sofort schützt die Slowakei ihren Luftraum nicht mehr mit eigenen Kampfflugzeugen. Das übernehmen Polen und Tschechien. Solche Kooperationen werden häufiger – sie sind militärisch sinnvoll und sparen Geld.

Landesverteidigung bedeutet immer weniger, dass jedes Land sich zu Wasser, Land und in der Luft selber verteidigt. Gerade für Kleinstaaten ist das ohnehin zunehmend eine Illusion. Wird ein Nato-Land angegriffen, eilen ihm die übrigen 29 Mitgliedstaaten zu Hilfe. In Friedenszeiten ist es aber weiter üblich, dass jedes Land seinen Luftraum selber schützt.

Das ist ineffizient. Und überfordert besonders Kleinstaaten. Deshalb übernehmen jetzt polnische und tschechische Kampfjets den militärischen Luftpolizeidienst für die Slowakei. Was umso sinnvoller ist, da die Slowaken hauptsächlich veraltete sowjetische Mig-Kampfflieger besitzen.

Die «clevere Verteidigung»

Schon vor mehr als einem Jahrzehnt warb der damalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen für solche Kooperationen. Er nannte das «Smart Defence», clevere Verteidigung. Nicht länger soll jedes Allianzmitglied anstreben, sich rundum allein zu verteidigen. Es spart Kosten und erhöht die militärische Potenz, wenn man Mittel zusammenlegt und sich spezialisiert. Rasmussen sprach von «Pooling and Sharing».

Doch die Umsetzung stockte – wegen Souveränitätsüberlegungen und Eifersüchteleien und weil Länder ihre Rüstungsindustrie schützen wollten. Mit dem Ukraine-Krieg wurde der Nato-Führung klar: Sie braucht mehr Kampfkraft. Das bedeutet: massive Erhöhungen der Wehretats oder intelligentere Zusammenarbeit. Man mache heute mehr gemeinsam, findet Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Und nennt als Beispiele gemeinsame Kampftruppen in Osteuropa, gemeinsame Manöver oder Luftpolizeidienste.

Vorbilder Baltikum und Benelux

Ein gutes Beispiel für Kooperationen ist das Baltikum: Estland, Lettland und Litauen haben die Luftwaffe weitgehend ausgelagert. Sie besitzen bei weitem nicht genügend Jets, um ihren Luftraum selber zu sichern. Zuständig sind deshalb abwechselnd andere Nato-Staaten in einem Rotationsprinzip, mal die Spanier, mal die Franzosen, derzeit sind es die Deutschen.

Die Balten sind aber nicht einfach Profiteure: So setzte sich im Gegenzug Litauen stark ein beim Nato-Einsatz in Afghanistan oder stellt Ausbildner für andere Länder. Estland wiederum übernimmt in der Cyberabwehr Aufgaben, die allen Bündnismitgliedern zugutekommen.

Zwei französische Kampfflugzeuge des Typs Mirage 2000-5F.
Legende: Mit solchen Mirage-Kampfflugzeugen schützt Frankreich im Turnus mit anderen Nato-Staaten den Luftraum des Baltikums. Reuters/BENOIT TESSIER

Eine Partnerschaft in der Luft gingen auch die Beneluxstaaten ein. Die Niederlande und Belgien schützen ihren Luftraum gemeinsam – und jenen von Luxemburg gleich mit. Dass solche Kooperationen gerade in der Luft stattfinden, ist kein Zufall. Luftpolizei- und Luftverteidigungsaufgaben sind aufwändig. Kleinen Ländern setzt auch das Territorium enge Grenzen.

Bei den Grundlagen harzt es

Das gilt auch für die Schweiz. Sie könne ihren Luftraum nicht mehr eigenständig schützen und sollte diese Aufgabe auslagern, ist zu hören, was in Bundesbern zurückgewiesen wird. Tatsache aber ist, dass die Schweiz zwingend auf Nato-Luftlagedaten und -bilder angewiesen ist. Würde etwa ein von Terroristen kontrolliertes Flugzeug erst entdeckt, wenn es sich an der Landesgrenze befindet, wäre es zu spät. Auch das Training von Schweizer Militärpiloten findet teilweise im Ausland statt.

Es reicht indes nicht, militärische Kooperationen am grünen Tisch auszuhandeln. Erst müssen die Grundlagen geschaffen werden. Da harzt es, findet Hugo Meijer, Direktor des Europäischen Zentrums für Sicherheitsstudien: «Zu viele Länder denken bei der Rüstungsbeschaffung noch primär national, statt grenzüberschreitend.» Ein Beispiel: Das französisch-deutsche Megaprojekt eines gemeinsamen Luftverteidigungssystems wurde zwar offiziell beschlossen, bleibt jedoch absturzgefährdet.

Zu viele Länder denken gerade bei der Rüstungsbeschaffung noch primär national, statt grenzüberschreitend.
Autor: Hugo Meijer Direktor Europäisches Zentrum für Sicherheitsstudien

Das Zauberwort lautet: Interoperabilität – die Fähigkeit nationaler Armeen länderübergreifend zusammenzuarbeiten. Nicht länger soll jedes Land alles tun, hingegen für alle das einbringen, was es am besten kann. Am militärischen Nutzen einer immer engeren Zusammenarbeit, ja an deren Notwendigkeit, auch aus wirtschaftlichen Gründen, zweifelt niemand mehr. Bloss politisch lief es zunächst äusserst zäh. Langsam löst sich nun der Knoten.

Echo der Zeit, 04.09.2022, 18 Uhr

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