Das ist passiert: Orcas haben laut spanischen Medien eine Segeljacht nahe Gibraltar versenkt. Die zwei Besatzungsmitglieder der «Alborán Cognac» hätten am Sonntagmorgen Schläge gegen den Schiffsrumpf bemerkt. So sei das Ruderblatt beschädigt worden und später Wasser eingedrungen, berichteten mehrere Zeitungen unter Berufung auf die spanische Seenotrettung. Ein in der Nähe fahrender Öltanker rettete die Schiffbrüchigen. Die Jacht konnte hingegen nicht geborgen werden und sank.
Nicht der erste Angriff: Es ist bereits die siebte Schiffsversenkung durch Orcas seit Mai 2020. 2021 wurden laut dem Forschungsteam «Atlantic Orca Working Group» 197 Interaktionen mit Orcas festgestellt. 2022 waren es 207. Das Phänomen ist regional begrenzt, sagt Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz. Verantwortlich seien die sogenannten Gibraltar-Orcas mit 40 bis 50 Tieren. Aus dieser Gruppe würden aktuell 16 Orcas dieses Verhalten gegen Schiffe zeigen, so der Experte. Dieses Jahr sei bislang ein Rückgang der Interaktionen verzeichnet worden. Das Risiko einer Begegnung sei sehr gering.
Was ist der Grund für das Verhalten? Ganz eindeutig ist das nicht. Laut Karlowski gibt es zahlreiche Spekulationen: schlechte Erfahrungen mit Booten, Umweltgifte oder Lärmemissionen, die auf die Tiere einwirken. «Das lässt sich alles nicht verifizieren. Die gängigste und schlüssigste Erklärung, die auch von der Wissenschaft weitestgehend gestützt wird, ist die, dass es den Orcas Spass macht.» Das erste Mal sei das Verhalten bei einem weiblichen Orca namens Gladis beobachtet worden. Wie das Tier darauf kam, ist unklar. Orcas seien neugierige und lernbereite Tiere und so könnte Gladis einfach aus Zufall ein Boot angegangen und kaputt gemacht haben.
Das Vorgehen: Orcas sind bis zu zehn Meter lang und mehrere Tonnen schwer. «Da kann schon eine ordentliche Wucht ausgeübt werden. Aber nein, die machen das sehr vorsichtig, sehr überlegt und auch nicht allzu schnell», sagt Diplombiologe Karlowski. Scharfen Objekten am Schiff, wie etwa einem Propeller, würden die Orcas aus dem Weg gehen. Wenn die Tiere die Ruderanlage beschädigen, können Lecks entstehen, weshalb die Schiffe dann sinken. Es gehe den Orcas aber nicht darum, die Schiffe zu versenken. «Wenn das das Ziel wäre, dann hätten wir sehr, sehr viel mehr gesunkene Boote in der Region.»
Gefahr für die Orcas: Segler würden «abstruse» Methoden nutzen, um sich vor Orca-Angriffen zu schützen, sagt Karlowski. «Je mehr Vorfälle dokumentiert werden, desto rücksichtsloser meinen viele Segler, sich gegenüber den Orcas verhalten zu müssen.» Er weiss etwa von einer Schiffsbesatzung, die auf die geschützten Meeressäuger geschossen hat, bei einem Aufeinandertreffen. Das ist verboten.
Das raten die Behörden: Mit dem neusten Angriff haben die spanischen Behörden vor Interaktionen mit Orcas gewarnt. Sie haben eine Karte mit dem betroffenen Gebiet publiziert und raten den Schiffen, nahe an der Küste zu fahren. Bei einem allfälligen Aufeinandertreffen sollte nicht angehalten, sondern in flachere Gewässer navigiert werden. Die Behörden könnten einiges mehr tun, kritisiert Karlowski. So könnten ganze Gebiete für den Schiffsverkehr gesperrt werden. Den Seglern müsste bewusst gemacht werden, dass sie nicht durch ihren eigenen Lebensraum fahren, sondern jenen der Tiere.