Ein neuer Bericht der Universität Chicago zeigt, dass wegen schlechter Luft die Lebenserwartung in Indien seit 2013 um fünf Jahre gesunken ist. In Bangladesch sind es gar 6.8 Jahre. In China dagegen ist die Lebenserwartung in den letzten zehn Jahren um 2.2 Jahre gestiegen.
Indien wächst unaufhaltsam
Ein Hauptgrund für die Luftverschmutzung im 1.4-Milliarden-Volk Indien ist starkes Bevölkerungswachstum. Immer mehr Fabriken müssen immer mehr produzieren, die Energieproduktion aus Kohle steigt. Auch wird ein Teil der Bevölkerung immer wohlhabender, kann sich Autos und Flugreisen leisten. Viele Bauern brennen zudem weiterhin Stoppelfelder ab, mangels Maschinen für umweltfreundlichere Methoden.
In der Hauptstadt Delhi schlägt das vor allem im Winterhalbjahr enorm an, da sie von einer Agrarzone umgeben ist, wie SRF-Südasien-Korrespondentin Maren Peters berichtet. Die Regierung habe zwar eine Initiative für mehr grüne Energie lanciert und wolle sie mit vielen Milliarden ausbauen. Die wachsende Bevölkerung mache Fortschritte aber schwierig. Der Anteil der billigen Kohle wächst weiter.
Der vor gut vier Jahren gestartete Aktionsplan wird laut Peters oft nicht konsequent umgesetzt. Lokale Anstrengungen wie etwa das seit vier Jahren in Delhi im Winter geltende Fahrverbot für abwechslungsweise gerade oder ungerade Nummernschilder habe die Luft gemäss Studien kaum verbessert.
Grossen Druck auf die Regierung oder gar öffentliche Proteste gibt es nicht, auch wenn im Winter die Medien voll mit Berichten sind. Kritik und Umweltaktivismus werden laut Peters unterdrückt. Viele Leute hätten Angst.
China: Fortschritte in Grossstädten
Fortschritte verzeichnet China, auch wenn das Land mit ebenfalls über 1.4 Milliarden Menschen beim Ranking der schlechtesten Luftqualität noch immer Platz 13 belegt. Vor allem in Grossstädten gebe es einen Wandel, sagt Fabian Kretschmer, freier Journalist in Peking.
«Noch vor sieben Jahren wähnte man sich beim Blick durchs Fenster in einem apokalyptischen Science-Fiction-Film», so Kretschmer: Wer raus musste, trug eine Maske, wer es sich leisten konnte, hatte Luftfilter in der Wohnung. Joggen war nur selten möglich.
In Peking wieder möglich: Mittagspause im Park
Das Stadtbild habe sich deutlich verändert, so Kretschmer. Immer mehr Junge verbrächten ihre Mittagspause in den Parks. Der deutliche Gewinn an Lebensqualität hängt damit zusammen, dass Städte wie Peking oder Schanghai die Schwerindustrie zunehmend ins Umland verbannten.
Dazu kommt laut Kretschmer der frühe Umstieg auf Elektroautos: Wer einen Verbrenner kaufen will, kommt in eine Lotterie und wartet oft jahrelang. China investierte gemäss aktuellen Zahlen mehr in erneuerbare Energien wie Sonne und Wind als der Rest der Welt zusammen. Offene Debatten oder Klimaproteste wie Fridays for Future sucht man in China vergebens. Die Zivilbevölkerung muss Xi Jinping vertrauen, das Land bis 2060 klimaneutral zu machen.
Ob das gelingt, bleibt offen. Aktuell läuft die Wirtschaft nicht gut und China könnte versuchen, wieder vermehrt Wachstum mit riesigen Infrastrukturprojekten zu generieren. Die Kohle ist billig, und es werden gleichzeitig weiterhin Kohlekraftwerke gebaut. Trotz dieses gemischten Bildes sei aber eine positive Entwicklung zu erkennen, sagt Kretschmer.