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Die Todesstrafe in Zahlen
Aus News-Clip vom 27.03.2014.
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International «Todesstrafe ist ein Instrument der politischen Repression»

Die Regierungen versuchen, mit Hinrichtungen Gegner oder Bevölkerung einzuschüchtern und sie ruhig zu halten. Dies sagt Patrick Walder von Amnesty International. Walder berichtet über die Erkenntnisse von Amnesty.

Amnesty verzeichnet einen Anstieg der Todesstrafe, vor allem in den Ländern Iran, Irak, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan und Jemen. Alle diese Staaten sind grossen Zerreissproben ausgesetzt. Kein Zufall?

Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Zunahme der Todesstrafe in einem Staat und seinen inneren Konflikten. Es sind oft Staaten, die die Todesstrafe noch haben und gleichzeitig instabil oder in bewaffnete Konflikte verwickelt sind. Gerade im Iran, Irak oder in Saudi-Arabien ist die Todesstrafe ein Instrument der politischen Repression. Die Regierungen versuchen damit, die Gegner oder die Bevölkerung einzuschüchtern und sie ruhig zu halten.

Audio
Patrick Walder von Amnesty im Gespräch
aus SRF 4 News aktuell vom 27.03.2014.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 5 Sekunden.

In Saudi-Arabien fällt zusätzlich auf, dass das Land viele Ausländer verurteilt.

Speziell in Saudi-Arabien und in Kuwait wird die Todesstrafe diskriminierend eingesetzt. In diesen Ländern trifft es vor allem die Migranten aus Asien, die zum Teil unter skandalösen, sklavenartigen Bedingungen arbeiten. Diese Arbeiter werden dann in ebenso skandalösen Verfahren verurteilt. Hier finden zahlreiche Verletzungen statt, es werden etwa Verteidigerrechte missachtet oder das Recht auf eine Übersetzung, oder das Recht auf den Einbezug der Botschaft. Viele Länder benutzen einen Vorwand, um jemandem zum Tod zu verurteilen.

Können Sie Beispiele nennen?

Beispielsweise der Irak. Dort bezeichnet die aktuelle Regierung einen grossen Teil der sunnitischen Opposition als Terroristen. Es mag sicher terroristische Gruppen geben. Aber in vielen Ländern dienen Antiterrormassnahmen als Vorwand, um eine Opposition mundtot zu machen und hinter Gitter zu bringen. Das konnte man aktuell auch in Ägypten beobachten, wo die Regierung viele Muslimbrüder zum Tode verurteilt hat.

Und der Iran kämpft gegen Ehebruch …

Im Iran gibt es oft Todesurteile wegen eines religiösen Vergehens. Also neben dem Ehebruch etwa auch Gotteslästerung. Hier geht es eigentlich um politische Fragen und nicht um religiöse.

Gibt es eine Definition, gegen wen eine Todesstrafe ausgesprochen werden darf, wenn sie denn sein muss?

Sofern die Todesstrafe in einem Land zugelassen wird, soll sie laut UNO nur für schwerste Verbrechen eingesetzt werden. In der Regel sind das Gewaltverbrechen, die mit dem Tod enden. Ehebruch, Gotteslästerung, Korruption, aber auch Drogenhandel gehören eindeutig nicht in diese Kategorie. Es gibt auch internationale Standards, die die Todesstrafe einschränken. Man darf etwa keine Jugendliche, keine Schwangeren und keine geistig Behinderten hinrichten.

China gibt keine Zahlen heraus. Amnesty sagt aber, das Land richte weltweit mehr Menschen hin als alle anderen Staaten zusammen. Wie kommt Ihre Organisation zu dieser Annahme?

China ist gross und es ist schwierig, an Informationen heranzukommen, denn es gibt keine offiziellen Zahlen. Eine genaue Angabe zur Anzahl der Hinrichtungen ist nicht möglich. Aber wir haben Informationen von Menschrechtsverteidigern, von Anwälten, von Familienangehörigen und aus Medienberichten. Deshalb können wir sagen, es werden Tausende hingerichtet.

Erstaunlich sind die USA als demokratischer Staat. 2013 waren es dort immer noch 39 Todesvollstreckungen.

Es springt ins Auge, dass die USA immer unter den ersten fünf Ländern mit den meisten Hinrichtungen sind. Die USA finden sich damit in einem Club von hochproblematischen Ländern wieder, wo keine demokratischen Regimes an der Macht sind, wo religiöse Diktaturen wie Iran oder Saudi-Arabien das Sagen haben, oder wo Menschenrechte massiv missachtet werden wie in China. Die USA sind also in einem Club, in dem sie sich selber sicher nicht sehen.

Wie erklären Sie sich das Phänomen USA?

Eine schwierige Frage. Es hat mal ein schönes Zitat eines Schwarzen gegeben: Die Weissen haben Amerika erobert, in der einen Hand mit der Bibel, und in der andern Hand mit dem Gewehr. Das bringt meiner Meinung nach die Geschichte der USA auf den Punkt. Das Land ist in seiner Mentalität teilweise eine Siedlergemeinschaft geblieben, die das Recht in die eigene Hand genommen hat. Dazu gehört auch das Recht, eine Waffe auf sich zu tragen. Und dazu gehört der Bezug zum Alten Testament, wonach man Rache nehmen darf, Aug um Aug, Zahn um Zahn.

Immerhin gibt es in den USA immer weniger Hinrichtungen.

Das ist erfreulich, denn es gab nicht nur weniger Vollstreckungen, sondern auch weniger Verurteilungen. Hinzu kommt: Im mehr Bundesstaaten schaffen die Todesstrafe ab. Fast jedes Jahr sind das ein bis zwei Staaten. Auch die Zustimmung in der Bevölkerung nimmt ab. Ich habe die Hoffnung, dass sich die USA in dieser Frage mittelfristig radikal ändern wird. Das wäre ein positives Zeichen für die Welt, würde einen Rutsch auslösen.

Insgesamt wendeten weniger Länder Todesstrafen an. Es gab weltweit mehr Begnadigungen. Warum?

Es gibt seit Mitte der 1970er-Jahre einen globalen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe. Das letzte Jahr war zwar kein gutes Jahr, weil es insgesamt eine Zunahme der Hinrichtungen gab. Wir glauben aber nicht, dass dieser globale Trend gebrochen ist, der Prozess verlangsamt sich aber. Es waren 2013 nur noch 22 Länder, die die Todesstrafe anwendeten. Zurückzuführen ist dieser Trend auf einen globalen Bewusstseinswandel. Die Todesstrafe ist ein archaisches Instrument, das nicht in eine moderne Gesellschaft, in ein modernes Justizsystem passt.

Interview: Christa Gall

Zur Person

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Parick Walder von Amnesty

Patrick Walder ist bei Amnesty Schweiz zuständig für den Bereich Todesstrafe. Urpsrünglich war er Journalist, hat dann beim IKRK gearbeitet, bevor er zu Amnesty Schweiz kam. Er hat Internationale Sicherheitspolitik studiert.

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