«Heute beginnt die Erneuerung unserer Republik», sagte Emmanuel Macron nach seinem Wahlsieg vor gut zwei Wochen. Gestern stellte er sein neues Kabinett vor, das eben dieses Versprechen einlösen soll.
Der neue Staatschef will das Links-Rechts-Schema der französischen Politik aufbrechen und ein breites Bündnis der Mitte bilden. Das Unternehmen ist ambitioniert, verzichtet aber nicht auf ausgewiesene Politerfahrung: An zentralen Posten ist das Kabinett mit altbewährten Kräften besetzt.
Alt...
- Die Aussenpolitik übernimmt der Sozialist Jean-Yves Le Drian (69), der unter Macrons Vorgänger François Hollande Verteidigungsminister war.
- Justizminister wird der Zentrumspolitiker François Bayrou (65). Er hat schon dreimal erfolglos versucht, Präsident zu werden.
- Wirtschaftsminister wird der Mitte-Rechts-Politiker Bruno Le Maire (48). Er war auch schon Agrarminister und hat enge Beziehungen zu Deutschland.
....und neu
Daneben sitzen mehrere Vertreter der Zivilgesellschaft mit am Kabinettstisch: Zum Minister für den «Ökologischen und Solidarischen Wandel» machte Macron den Filmemacher und Umweltaktivisten Nicolas Hulot. Die Fechterin Laura Flessel wird Sportministerin, Verlegerin Françoise Nyssen Kulturministerin.
Man kann kein Kabinett nur mit neuen Köpfen besetzen.
Ein Kabinett mit «Mitte-links-Geschmack und einer Prise rechtem Reformgeist», meint SRF-Korrespondent Charles Liebherr. Eine Absage an die glücklose Regierung Hollande mit ihrem Versuch, «nach unwahrscheinlichen Kompromissen mit der Linken zu suchen», schreibt die konservative Zeitung «Le Figaro».
Wie das kunterbunte Kabinett in der Praxis funktioniert, bleibt abzuwarten. Bei vielen Kommentatoren findet der Mix zwischen unverbraucht und erfahren aber Anklang – so auch bei der Hélène Miard-Delacroix. «Es ist nicht möglich, ein ganzes Kabinett nur mit neuen Köpfen zu besetzen», sagt die Historikerin und Politologin im Gespräch mit SRF News.
Die alten Reflexe
Macrons eigentlicher Schachzug bleibt: Er bricht mit dem hergebrachten Parteiensystem. Ungefährlich ist das Manöver nicht. Der Anspruch, alle Stimmen und Strömungen versammeln zu wollen, kann auch als Profillosigkeit ausgelegt werden: «Bei den anstehenden Parlamentswahlen wird das eine ganz interessante Frage», sagt Miard-Delacroix.
Die Politologin prognostiziert, dass gerade die politisch unverbrauchten Gesichter Bürgernähe vermitteln könnten. Die Menschen hätten keine Lust, immer wieder die gleichen Köpfe zu wählen, die einzig ihren Parteien verpflichtet seien: «Macrons Bewegung wird Stimmen holen. Das Problem wird aber sein, wie stark die alten Reflexe sind.»
Konkret: Wie reagieren die etablierten Parteien auf den politischen Wandel in Frankreich – schlagen sie blindwütig aus, oder sezieren sie gekonnt die Schwächen der Patchwork-Regierung? «Das bleibt alles Spekulation», so die Politologin. Derzeit könne niemand sagen, wie das Parlament nach den Wahlen im Juni aussehen wird. Doch eine Konstante gibt es: In Frankreich bleibt bis auf weiteres alles anders.
Gute Umfragewerte für Macrons Bewegung
«La République en Marche» konnte in Umfragen für die erste Runde der Parlamentswahl am 11. Juni zulegen: Laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Harris Interactive liegt die Bewegung zusammen mit der Verbündeten MoDem mit 32 Prozent vorn. Die konservativen Republikaner und der rechtspopulistische Front National liegen mit jeweils 19 Prozent weit dahinter. Allerdings sagt dies zunächst wenig über die künftige Verteilung der 577 Abgeordnetenmandate aus: Wie bei der Präsidentschaftswahl wird die Nationalversammlung in zwei Runden gewählt. (sda) |