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«Corona ist eine Goldgrube für Sprachwissenschaftler»
Aus Echo der Zeit vom 14.09.2021. Bild: Imago
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Kommunikation in einer Krise Wie die Pandemie unsere Sprache prägt – und umgekehrt

Bestimmte Begriffe und Kommunikationsstrategien beeinflussen die Bevölkerung. Das geschieht im Alltag, aber auch durch Politikerinnen und Experten.

«Positivitätsrate», «Impfdrängler», «Corona-Diktatur»: Ausdrücke wie diese gehören mittlerweile zu unserem Wortschatz. Andererseits prägt die Sprache auch unseren Umgang mit der Krise. Und auch die Krisenkommunikation der Politiker und Expertinnen hat das Ziel, unser Verhalten zu beeinflussen. Die Sprache übernimmt also unterschiedliche Funktionen in der Pandemie.

«Die Sprache hat in der Pandemie eine Art Filter- und Positionierungs-Funktion», erklärt Jürgen Spitzmüller. Er ist Professor für Angewandte Sprachwissenschaft an der Universität Wien. Einerseits mache die Sprache uns die Pandemie begreifbar, weil wir das Virus nicht sehen. Zum anderen mache sie uns die Pandemie begreifbar, weil die sprachliche Darstellung auch unser Denken in eine bestimmte Richtung lenkt.

Metaphorik ist entscheidend

Gerade weil das Virus unsichtbar ist, ist es entscheidend, mit welchen Worten und Sprachbildern die Situation dargestellt wird. Nehmen wir die Pandemie als einen Krieg wahr? Betrachten wir die Krise als Chance? Oder ist sie ein Konstrukt, wie es von kritischen Stimmen ertönt? «Unsere Erwartungen werden davon geprägt, wie wir einzelne Aspekte der Pandemie bezeichnen», sagt der Sprachwissenschaftler Spitzmüller.

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Aus dem Archiv: So verändert Corona unsere Sprache
aus Kultur-Aktualität vom 12.04.2021. Bild: Getty Images / Westend61
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Diese Metaphorik wandelt sich von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort. In Österreich habe man zu Beginn der Pandemie, wo die Verunsicherung wohl am grössten war, einen Computer als Beispiel gewählt: «Wir fahren das Land herunter und dann wieder stufenweise hoch», so Spitzmüller. In Frankreich habe man zur gleichen Zeit zu einem Krieg und zu nationaler Selbstbesinnung aufgerufen. «Die Schweiz hat eher an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger und an die Selbstbestimmung appelliert.»

Die Schweiz hat eher an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger und an die Selbstbestimmung appelliert.
Autor: Jürgen Spitzmüller Sprachwissenschaftler

Aber so, wie sich das Virus verändert, verändert sich auch die Sprache. Denn nicht alle Strategien hätten so funktioniert, wie man sich das vorgestellt haben. Die Krise habe doch länger gedauert, als man sich erhofft habe. «Das Virus und der Umgang damit verändern sich; und das schlägt sich in der Sprache nieder.»

Politische und historische Vergleiche

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Viele Begriffe spielen auf politische und historische Ereignisse an, beispielsweise die «Corona-Diktatur» oder eine «Impf-Apartheid». «Das dient einerseits dazu, eine rhetorische Drastik zu konstruieren. Es dient aber auch zur Skandalisierung des Diskurses, also zur Erzeugung einer bewusst gewollten Empörungswelle», erklärt der Sprachwissenschaftler Spitzmüller.

Vonseiten der Politiker und Expertinnen werden die Kommunikationsstrategien bewusst angepasst. So habe man in Österreich eine neue Strategie gewählt, um die Impfunwilligen ins Boot zu holen, so Spitzmüller: Die neu eingeführten Einschränkungen seien nicht als Strafe und Druck gedacht, sondern sie dienten zum Schutz der Ungeimpften.

«Man inszeniert sich selbst als eine Art pastorale Führungsebene, die sich um alle kümmert und die möglicherweise eine Handlung als Gegenleistung einfordert, nämlich Selbstverantwortung und das Impfen.»

Welche neuen Begriffe verwenden Sie seit der Pandemie? Welche Begriffe werden die Pandemie überdauern? Sagen Sie es uns in den Kommentaren.

Echo der Zeit, 14.09.2021, 18 Uhr;

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