Kurz vor der letzten «10vor10»-Sendung ist viel los auf der Redaktion. Stephan hier, Stephan dort. Der «Blick» ruft nochmals an, ein Produzent zeigt stolz seine Sendung und jeder sucht nochmals die Nähe zu Stephan Klapproth. Wenn am Freitagabend die letzte «10vor10»-Sendung im Kasten ist, dann geht eine Person, die von vielen geliebt, von manchen gehasst, aber auf jeden Fall einprägsam war.
Klapproth hat 23 Jahre lang das Nachrichtenmagazin mitgeformt. Davor war er acht Jahre lang tätig beim «Echo der Zeit» des Schweizer Radio. Nun wendet sich Stephan Klapproth der Sendung «Sternstunde Philosophie» zu. Start ist diesen Sonntag (11:00 Uhr, SRF 1). Ein guter Moment also, mit dem Mann der Stunde über philosophische Themen zu reden.
SRF News: Herr Klapproth, was ist eigentlich der Sinn des Lebens?
Stephan Klapproth: Dass man nach Glück für sich und möglichst viele Andere strebt.
Sie haben einmal die Radiosendung «Echo der Zeit» als Ihre grosse Traumsendung bezeichnet. Später war es dann die Nachrichtensendung «10 vor 10». Ist für Sie die «Sternstunde Philosophie» auch eine Traumsendung?
Ja. Wenn ich meine Laufbahn im Rückspiegel sehe, bin ich da von Traum zu Traum gewandelt. Die acht Jahre beim «Echo» waren mein grosses Glück. Mit 28 Jahren befand ich mich aber auch in so einer «Martina Hingis-Krise». Ähnlich wie die Tennisspielerin hatte ich in meinem Fach schon alles erreicht, wovon ich geträumt hatte. Da kommen natürlich Fragen auf: Was kann noch Grosses kommen im Leben?
Zum Beispiel «10vor10»?
Genau. Man rief mich an und wollte, dass ich für eine Probesendung nach Zürich komme. Ich ging hin, aber mehr aus Neugierde. Grosse Erwartungen hatte ich nicht, dass man mich nehmen wird. Dann die grosse Überraschung – ich wurde ausgewählt. Und ich zögerte.
Wie kann man bei so einem Angebot noch zögern?
Ich liebte die Arbeit beim «Echo»! Aber ich gebe zu: Mit 28 Jahren habe ich mich schon gefragt: Jetzt kommen noch 37 Jahre Arbeit auf dich zu. Willst du nicht was Neues ausprobieren? Der Fernseh-Chefredaktor verlangte, dass ich mich bis Montag um fünf Uhr abends entscheide. Um fünf vor fünf sagte ich zu.
Kommen wir nochmals zur «Sternstunde Philosophie» zurück. Letzten Sonntag diskutierten eine Sozialanthropologin und ein Historiker eine knappe Stunde über die Vorurteile punkto Hautfarben. Sie kommen ja von den News. Liegt Ihnen wirklich so ein Format?
Ja. Bei «10vor10» begleiteten mich immer die sechs journalistischen W-Fragen. Bei der «Sternstunde» vertiefe ich mich nun vor allem in eine dieser Fragen. Ich werde noch intensiver nach dem Warum forschen. Und nach zehn Sendungen kann ich sagen: Das Adrenalin fliesst noch immer in gleichen Mengen.
Werden Sie Ihre «Sternstunde»-Sendungen anders gestalten?
Das Format bietet jetzt schon alle Möglichkeiten. Man kann einen Gast haben, ein Streitgespräch provozieren, drei Köpfe in wechselseitige Dialoge verwickeln. Und jederzeit nebst Experten auch Akteure einladen. Tiefenbohrung ist unser Konzept. Davon träumt jeder Fernsehmacher!
Heute ist ihre letzte Sendung bei «10vor10». Nebst Ihrer journalistischen Arbeit bleiben zwei Dinge haften: Ihr Bart und Ihr Abschlussvers. Stimmt es, dass man Sie einmal vor die Wahl stellte: «Bart weg oder Sprüche weg»?
Nein! Der Bart war nie ein Thema – nur in den Boulevard-Zeitungen. Ich hatte damals in Florida Ferien gemacht und kam unrasiert zurück. Meine Freundin fand den Bart heiss. So ging ich dann in die Sendung. Das hatte zur Folge, dass der «Blick» meinen Bart zwei Wochen lang «journalistisch» begleitete. An einen Leserbrief im «Blick» erinnere ich mich mit einem Schmunzeln: «Jetzt wissen wir wenigstens, dass auch der Moderator vom Affen stammt.»
Und wie ist das mit Ihren Sprüchen am Ende der Sendung?
Ach, da war halt so ein damaliger Manager, der von allen Moderatoren wünschte, dass sie am Ende immer den gleichen Satz vorsagen: «Im Anschluss an diese Sendung folgt die Sendung XY…» Da habe ich dem Frieden zuliebe meinen Vers geopfert.
Sie sind seit über 32 Jahren Journalist. Sie haben grundlegende technische Neuerungen erlebt. Was hat sich besonders verändert im Journalismus?
Wir waren früher die Briefträger. Die Menschen wurden durch uns aufgeklärt, was sich in der Welt innerhalb der letzten 24 Stunden ereignet hat. Heute ist die Ausgangslage anders. Die Medienkonsumenten wissen bereits Bescheid dank dem Internet.
Wenn wir Journalisten heute keine Briefträger mehr sind, was sind wir dann?
Bildhauer. Unsere Aufgabe ist es, den Berg an Informationen zu modellieren. Ich postuliere auch, dass wir die Pflicht zur Wertung haben. Nicht im Sinne von Meinungsjournalismus, sondern durch das Filtern von falsch und wahr, oder mehr noch: von wesentlich und unwesentlich.
Ihr Nachfolger Arthur Honegger ist jetzt so alt, wie Sie bei Ihrem Einstieg in die Sendung «10vor10». Was möchten Sie ihm gerne mit auf den Weg geben?
Das gilt eigentlich für alle Moderatoren: Er soll nahe bei sich selbst sein. Denn es gilt die Grundregel: Man kann nicht an seiner eigenen Persönlichkeit vorbei moderieren. Jemand, der eher schüchtern ist, soll nicht im Stil eines Draufgängers moderieren und umgekehrt. Und einem verspielten Moderator empfehle ich, seine Natur nicht zu kaschieren, sich nicht zu verstellen. Das Fernsehen ist in dieser Hinsicht nämlich ein erbarmungslos demaskierendes Medium.