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50 Franken bei einer Bagatelle Notfallzentrum will Notfallpauschale nicht

Seit Jahren spricht die Politik über eine Pauschale zur Entlastung der Notfallzentren. Doch diese wollen das gar nicht.

Seit acht Jahren kaut das Parlament an der Idee einer Notfallpauschale – einem 50-Franken-Betrag, der zusätzlich zum Selbstbehalt zu bezahlen ist. Das soll Patientinnen und Patienten abschrecken, wegen Kleinigkeiten in eine Notaufnahme zu gehen und diese entlasten.

In acht Jahren erreichte die Politik nichts. Die Notfallzentren bleiben voll, ihre Entlastung bleibt ungelöst. Für die Notaufnahme des Spitals Burgdorf ist klar: Eine solche Notfallpauschale für Bagatellfälle wollen sie nicht.

Bagatelle?

Was ist überhaupt eine Bagatelle? Das müsse man die Politik fragen, die das wolle, sagt Oberärztin Simone Blunier am Spital in Burgdorf. Menschen, die wegen einer Kleinigkeit die Notfallstation aufsuchten, gebe es bei ihnen gar nicht. Jeder Fall hier sei ein Notfall. Alles andere käme einer Bevormundung der Patienten gleich.

Eine Ambulanz steht vor einem Spital.
Legende: Notfallzentrum Burgdorf. Montagvormittag. Alles ist ruhig. SRF / Matthias Baumer

Würde sie heute jemanden nach Hause schicken wegen ein wenig Bauchweh, aber morgen operiere man dann doch den entzündenden Blinddarm, «was ist es dann?», fragt Blunier.

Wie eine Pauschale für Bagatellfälle überhaupt abgerechnet werden würde, mag sie sich gar nicht vorstellen. Aufwand und Ertrag stünden in keinem guten Verhältnis.

Wie im Parkhaus: zuerst zahlen, sonst kriegt man keinen Platz. Ich weiss nicht, was uns das bringen sollte.
Autor: Christiane Arnold Leitende Ärztin, Notfallzentrum Spital Burgdorf

Ebenfalls nichts von einer Notfallpauschale hält Christiane Arnold, Leitende Ärztin im Notfallzentrum des Spitals in Burgdorf. Wer komme, der komme. Das würde gegen eine Lenkungswirkung sprechen, die sich die Politik erhofft.

Für Arnold ist eine solche Pauschale zudem unfair. Es wäre «wie im Parkhaus: zuerst zahlen, sonst kriegt man keinen Platz. Ich weiss nicht, was uns das bringen sollte.»  

Menschen stehen im Flur der Notfallstation im Spital Burgdorf.
Legende: Ärztinnen und das Pflegepersonal besprechen die Situation eines Patienten. SRF / Matthias Baumer

Es widerstrebe auch ihrem Arbeitsethos und ihrem Sinn für Gerechtigkeit. Zudem habe eine solche Pauschale im Schweizer Gesundheitssystem keinen Platz, so Arnold.

Notfallstationen sind beliebt

Rebekka Steffen ist Notfallpflegerin im Spital in Burgdorf. Sie hat den Triage-Blick, teilt Patientinnen und Patienten auf der Notfallaufnahme in dringende und nicht-dringende Fälle ein. «Ich sehe rasch, wie der Zustand einer Person ist.»

Wir müssen mit Bagatellfällen umgehen können, auch wenn sie das System überlasten.
Autor: Rebekka Steffen Notfallpflegerin

Steffen wäge ab, schätze Patientinnen und Patienten ein und habe sich ein Gespür dafür angeeignet, ob jemand stark leide oder nur wegen einer Kleinigkeit hier sei. Sie sagt: «Wir müssen mit Bagatellfällen umgehen können, auch wenn sie das System überlasten.»

Ein Rollstuhl steht in einem Spitalflur.
Legende: Keine Hektik – nicht immer so in der Notaufnahme in Burgdorf. SRF / Matthias Baumer

Wer kommt, wird auf der Notfallstation medizinisch umfassender abgeklärt als vielleicht beim Hausarzt, beim Telefon-Doktor oder in der Apotheke. Das macht die Notfallstation attraktiv – und zum Opfer des eigenen medizinischen Angebots.

Bern, Luzern, Zürich: immer mehr Patienten auf dem Notfall

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Die Notfallzentren der Spitäler und Kliniken behandeln immer mehr Patientinnen und Patienten.

  • Im Notfallzentrum des Inselspitals in Bern beispielsweise wurden 2024 55'200 Patienten gezählt. Zehn Jahre zuvor waren es noch knapp 40'000.
  • Das Notfallzentrum des Kantonsspitals Luzern behandelt pro Jahr über 40'000 Patientinnen.
  • Im Spital Limmattal in Schlieren (ZH) hat sich die Zahl der Notfallpatienten in den letzten zehn Jahren vergrössert: Jetzt sind es rund 34'500 pro Jahr – Tendenz steigend.
  • Im Spital Burgdorf stieg die Zahl der Notfallpatienten von 16'500 im Jahr 2019 auf 21'000 im Jahr 2024. Darunter fallen auch Bagatellfälle. Das Spital Burgdorf erklärt aber auch, dass für die Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte Bagatellfälle hilfreich seien. Dabei liessen sich kleine chirurgische Eingriffe, Bildverfahren, medizinische Diagnosen und Behandlungen erlernen.

Auch in Burgdorf scheint die Notaufnahme beliebt zu sein. Seit Jahren zählt sie immer mehr Patientinnen und Patienten und somit auch mehr nicht-dringende, leichte Fälle – wie vielleicht dieser Mann?

In einer der Kojen liegt ein älterer Herr. Er kam wegen Schmerzen im Brustbereich. «Bevor mich jemand irgendwo zusammenlesen muss, dachte ich, ich komme es abklären.» Es ist alles gut mit seinem Herz. Liegt da also ein Bagatellfall im Bett?

«Wer soll das entscheiden?», fragt der Mann zurück. Zudem: Gäbe es eine Pauschale, wäre es für ihn nicht die Welt. Er müsste sie ohnehin nicht bezahlen. Der Hausarzt hatte ihn überwiesen.

Spitalverband H+: Entlastung ja – aber nicht so

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Der Verband der öffentlichen und privaten Spitäler, Kliniken und Pflegeinstitutionen H+ begrüsst grundsätzlich das Bestreben, die Spitalnotfallaufnahmen von leichteren Fällen zu entlasten.

Doch mit einer Notfallpauschale dürfte die gewünschte Lenkungswirkung ausbleiben, schreibt der Verband. Betroffene Patientinnen und Patienten würden weiterhin den Spitalnotfall direkt aufsuchen, insbesondere an Randzeiten und am Wochenende.

Zudem treffe eine Gebühr vor allem sozial und wirtschaftlich benachteiligte und chronisch kranke Menschen. Das könnte diese Personen aus finanziellen Gründen von notwendigen Behandlungen abhalten.

H+ möchte, dass das Parlament andere Massnahmen prüft. Dazu gehören Förderung der Notfalltriagierung im Bereich Telemedizin oder eine Ausbildungsoffensive bei den Hausärztinnen und Hausärzten.

Ärztin Arnold verabschiedet ihn. Die Koje ist bald leer, zwei neue Patienten sind aber bereits angekündigt. Sie kommen, die Gebühr bei Bagatellfällen hingegen kommt weiterhin nicht – und vorerst auch keine andere Lösung zur Entlastung der Notfallstationen.

Echo der Zeit, 09.12.2025, 18:00 Uhr

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