Nicht weniger als 53 Rednerinnen und Redner meldeten sich in der Debatte zur Volksinitiative «Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre» zu Wort. Nach der mehrstündigen Diskussion über Gerechtigkeit, Standortvorteile und «Steueroptimierungs-Nomaden» empfahl der Nationalrat das linke Begehren mit 119 zu 59 Stimmen bei zwei Enthaltungen zur Ablehnung. Mit 30 zu 9 bei drei Enthaltungen war im Winter die kleine Kammer vorausgegangen.
SP: Frage der Gerechtigkeit
Es sei eine Frage der Gerechtigkeit, dass Menschen in Berücksichtigung ihrer Leistungskraft mit gleichen Ellen gemessen würden, bekräftigte Philipp Hadorn (SP/SO) den linken Tenor. Denn die Pauschalsteuer beschere Menschen Privilegien, die es nicht nötig hätten. Die Schweiz könne nicht länger bis zum letzten Moment «Grauzonen» gegenüber anderen Ländern ausnutzen.
Jacqueline Fehr (SP/ZH) wies darauf hin, dass nach der Abschaffung der Pauschalsteuer im Kanton Zürich zwar jeder zweite Pauschalbesteuerte weggezogen sei. Für diese seien meist Schweizer nachgekommen, die mehr Steuern bezahlten.
Der befürchtete Standortnachteil habe sich also nicht bewahrheitet. Mit einem Ja zur Initiative könne nun der temporäre «Standortnachteil» des Kantons Zürich wieder ausgemerzt werden. An die Adresse der Bürgerlichen sagte Fehr: «Es geht nicht um Neid, es geht um Gerechtigkeit.»
Auch Nachteile durch reiche Pauschalbesteuerte
Alle Menschen seien vor dem Gesetz gleich, unterstrich auch Jacqueline Badran (SP/ZH) Sie sei zwar nicht so puristisch zu glauben, dass man daran nicht ritzen könne. Im konkreten Fall die Menschen ungleich zu stellen, hält sie aber nicht für gerechtfertigt.
Denn neben den Steuereinnahmen gebe es auch Nachteile durch reiche Pauschalbesteuerte; etwa bei den Immobilienpreisen, wo der Schweizer Mittelstand keine Chancen mehr habe. Was den befürchteten Wegzug von reichen Ausländern betrifft, so sei auch London sehr teuer. Die Schweiz bleibe sehr attraktiv und es bestehe somit keine Not, das Gleichheitsgebot auszuhebeln.
Federer zahlt mehr als Hallyday
Die Pauschalsteuer schaffe auch eine Ungleichheit zwischen ausländischen und inländischen Reichen, stellte Regula Rytz (Grüne/BE) fest: «Es darf doch nicht sein, dass Roger Federer viel mehr Steuern zahlen muss als Johnny Hallyday.» Sie kritisierte die reichen Ausländer, die ganz nach Belieben durch Umzüge in der Schweiz ihre Steuern optimierten.
Waadtländer Widerstand
Isabelle Moret (FDP/VD) stellte fest, dass der Wegzug von reichen Ausländern gerade auch den Kanton Waadt massiv treffen würde. Neben den 147 Millionen Franken an Pauschalsteuereinnahmen profitiere der Kanton von weiteren 25 Millionen pro Jahr. Was den Ikea-Eigentümer betreffe, so habe dieser mit Schenkungen Zusätzliches geleistet, sagte sie. Sie nahm damit Bezug auf Äusserungen von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL), wonach der auf 30 Milliarden geschätzte Kamprad bis zu seinem Wegzug gerade einmal 200‘000 Franken Steuern pro Jahr bezahlt habe.
Die Initiative verletze die kantonale Souveränität, betonte Jean-Pierre Grin (SVP/VD). Die aus der Pauschalsteuer fliessenden Einnahmen seien wichtig. «Je reicher, desto mobiler», warnte Grin. Die Einnahmen kämen gerade auch dem Mittelstand in der Schweiz zugute.
«Allzu billig sollten wir uns nicht verkaufen»
Nach den Worten von Roland Rino Büchel (SVP/SG) steht die Pauschalbesteuerung in einem Spannungsfeld – mit 700 Millionen Steuermillionen pro Jahr. Er appellierte, nun nicht den Föderalismus zu schwächen. Denn nicht alle Kantone hätten die wirtschaftlichen Bedingungen eines Kantons Zürich. «Allzu billig sollten wir uns aber schon nicht verkaufen», sagte Büchel. Es sei deshalb richtig, dass die Sätze angehoben worden seien.
Fast alle europäischen Staaten versuchten, für vermögende Personen attraktiv zu sein, unterstrich Sylvia Flückiger-Bäni (SVP/AG). «Wenn wir das Gegenteil machen, müssen wir uns fragen, ob das klug ist.» Sie verwies auf die 22‘000 Arbeitsplätze, die mit der Pauschalbesteuerung verbunden seien.
Widmer-Schlumpf: Güterabwägung
Es sei nicht klar, ob es ohne Pauschalsteuer zu grossen oder keinen Einbussen komme, erklärte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Es sei schwierig, anhand der Erfahrungen in den Kantonen Zürich und Basel-Landschaft Angaben zu machen.
Zum Thema Steuergerechtigkeit sagte sie, dass eine Güterabwägung nötig sei: «Wir sind gut gefahren, dass wir den Kantonen den Entscheid überlassen, ob sie diesen Standortvorteil beibehalten wollen.»