Es muss eine Horrorvorstellung sein für Eltern, die ihre Kinder in einer Kita betreuen lassen: Ein Betreuer vergreift sich im Schlafsaal an Kleinkindern – und lange Zeit merkt niemand etwas davon. Genau das scheint in zwei Kitas passiert zu sein, eine davon befindet sich in der Region Bern. Die Tamedia-Zeitungen haben als erste darüber berichtet, Informationen zum Fall liegen auch SRF vor.
Der Betreuer soll 50 Übergriffe an mindestens 15 Kindern verübt haben. Die Berner Staatsanwaltschaft hat Ende Juli eine entsprechende Anklage erhoben, die Gerichtsverhandlung soll im kommenden April stattfinden. Der Mann befindet sich in Untersuchungshaft.
Betroffenheit in der Branche
Dieser Fall löst in der Branche eine grosse Betroffenheit aus. «Ein Fall einer solchen Dimension ist uns nicht bekannt», sagt Maximiliano Wepfer von Kibesuisse, dem Verband Kinderbetreuung Schweiz. Die familienergänzende Betreuungsarbeit sei Vertrauensarbeit und ein solcher Fall würde dieses Vertrauen ganz klar untergraben. «Umso wichtiger ist es, dass dieses Vertrauen wieder hergestellt wird», sagt Wepfer. Zentral sei, dass der Fall nun lückenlos aufgearbeitet werde.
Betreuungsarbeit ist Vertrauensarbeit und ein solcher Fall untergräbt dieses Vertrauen ganz klar.
Anders als bei Lehrpersonen gibt es für Kita-Mitarbeitende keine schwarze Liste mit Personen, die ein Berufsverbot erhalten habe. Aus Sicht von Kibesuisse wäre ein solches Register sinnvoll.
Dieser Meinung ist auch Manuel Michel, er leitet das Amt für Integration und Soziales im Kanton Bern und ist damit für die Aufsicht und Bewilligung der Kitas im Kanton Bern zuständig. Michel betont: «Wir waren in engem Austausch mit den Strafverfolgungsbehörden.» Aus seiner Sicht sei die betreffende Kita ihrer Meldepflicht nachgekommen. Alles Weitere müsse nun die Justiz klären.
Die Kita ist ihrer Meldepflicht nachgekommen.
Hat denn der Kanton Bern seine Aufsichtspflicht erfüllt? Manuel Michel vom Amt für Integration und Soziales betont: Seit 2024 seien die Kantone dafür zuständig, den Leumund von Kita-Mitarbeitenden zu überprüfen. Das heisst, die Strafregister werden überprüft. «Für den Anstellungsprozess sind aber immer noch die Kita-Trägerschaften zuständig.»
Männliche Mitarbeitende unter Generalverdacht?
Dass ein Mann diese Übergriffe in Kitas verübt haben soll, wirft ein Schlaglicht auf männliche Kita-Mitarbeitende. Das spürt auch Rahel Jakovina, Geschäftsführerin von «Kindertagesstätten Bern». Die private Stiftung betreibt im Raum Bern sieben Kitas mit 160 Mitarbeitenden, davon 40 Männer.
Männliche Kita-Mitarbeiter sind sich sehr bewusst, welcher Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht.
Sie habe nicht das Gefühl, dass ihre Kita-Mitarbeitenden nach diesem aktuellen Fall einen speziellen Druck spüren. «Was wir vor allem spüren ist, dass die Männer grundsätzlich sehr stark auf das Thema Nähe und Distanz sensibilisiert sind». Sie seien sich sehr bewusst, welchen Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht, wenn zum Beispiel bei einem Ausflug ein Betreuer mit drei Kita-Mädchen auf die Toilette gehe.
Aus ihrer Sicht ist es wichtig, männliche Kita-Mitarbeitende nicht unter Generalverdacht zu stellen. Viel wichtiger sei das Bewusstsein, dass Gewalt von allen Personen ausgehen könne, egal ob Mann oder Frau.