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Ausbau der Wasserkraft «Wir verlieren eine landschaftliche Perle»

Ob die Energiewende gelingt, hängt zu einem grossen Teil von der Wasserkraft ab. Das wichtigste Projekt dabei heisst Gornerli, ein Speichersee oberhalb von Zermatt mitten im Monte-Rosa-Gebiet. In der betroffenen Gemeinde regt sich Widerstand – vor allem bei den Bergführern.

Es ist eine Postkartenlandschaft. Besonders an diesem sonnigen Herbsttag, an dem Bergführer Benedikt Perren im Monte-Rosa-Gebiet mit der «Rundschau» unterwegs ist. «Das ist ein Naturdenkmal, wir haben hier die höchsten Berge der Schweiz. Die Dufourspitze, das Matterhorn – sie haben einen Riesenstellenwert für unsere Region.» Doch die Zukunft sieht er kritisch: Grund ist das Wasserkraftprojekt, welches das Unternehmen Grande Dixence hier plant.

Durch den Bau einer rund 90 Meter hohen Staumauer am Ende des Hochtals soll ein fünf Kilometer langer Speichersee entstehen. Dabei würde auch der Gornergletscher geflutet. «Wenn das Projekt so umgesetzt wird, dann verlieren wir einerseits eine landschaftliche Perle und wir verlieren Zugänge.»

Perren denkt dabei an die Natur, aber auch an die Skitourengängerinnen und -gänger, die mit den Bergführern in diesem Gebiet unterwegs sind.

Benedikt Perren ist nicht allein. Zu den Kritikern gehören weitere Bergführer, Hoteliers, Dorfpolitiker oder auch Helikopterpiloten aus der Gegend. Sie kritisieren die Lasten während der Bauzeit, äussern Bedenken wegen Felsstürzen beim Stausee oder verlangen, dass die Gemeinde mehr von den Stromeinnahmen profitieren soll.

Aus Gornergletscher wird ein See auch ohne Gornerli

Allerdings: Ein See wird hier oben sowieso entstehen. Wegen der Gletscherschmelze – das zeigen Berechnungen der ETH – wird sich der Gornergletscher in den nächsten 30 Jahren massiv zurückziehen. Für die Grand Dixence AG ist der Ort, an dem sie das Gornerli-Projekt realisieren will, besonders geeignet.

«Den Speichersee können wir an das bestehende System des Grande-Dixence-Kraftwerks anhängen», sagt Geschäftsführer Beat Imboden. Prädestiniert für eine Staumauer sei auch die Felsenge am Schluss des Tals.

Das «Gornerli»-Projekt

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Das «Gornerli» ist das grösste Projekt der 16 Wasserkraftprojekte im neuen Stromgesetz, das vom Volk 2024 mit 69 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde. Auch die Gemeinde Zermatt hat dem Stromgesetz zugestimmt, mit 78 Prozent. Die geplante Staumauer soll bis Mitte 2030er Jahre realisiert werden.

Beim Projekt handelt es sich um einen Speichersee. Das Wasser wird gefasst und in den Stausee gepumpt, wo es zu Strom wird. 650 Gigawattstunden Winterstrom könnten so maximal entstehen – allerdings erst, wenn der Gletscher im Seebereich vollständig abgeschmolzen ist. Für die Gemeinde Zermatt ist das Gornerli zudem ein Schutz vor Hochwasser und ein Reservoir für Trink- und Beschneiungswasser.

Imboden betont, dass sein Unternehmen viel Wert darauf lege, das Kraftwerkprojekt umweltverträglich zu realisieren. Seit anderthalb Jahren sei man deshalb im ständigen Dialog mit Umweltverbänden und Interessengruppen.

Naturdämme statt Staumauer

Bergführer Benedikt Perren schlägt vor, den natürlich entstehenden See für die Stromproduktion anzuzapfen. Statt einer Staumauer sollen zwei Naturdämme den Hochwasserschutz gewährleisten. Bisher ist das erst eine Idee, basierend auf einer Arbeit eines ETH-Studenten. Doch Perren und seine Mitstreiter wollen für die Idee nun eine Trägerschaft gründen.

Und was halten die Verantwortlichen des Gorner Projekts davon? Grande-Dixence-CEO Beat Imboden verspricht, das abzuklären. Aber: «Wir wollen das Tal möglichst optimal nutzen, das Alternativprojekt sieht derzeit die Hälfte des Speichervolumens des Gornerli-Projektes vor.»

Zermatt entscheidet nächstes Jahr

Voraussichtlich nächstes Jahr muss die Gemeinde Zermatt entscheiden, ob sie der Grande Dixence AG eine entsprechende Konzession für die Wassernutzung erteilen will. Gemeindepräsidentin Romy Biner unterstützte das Speichersee-Projekt. Dass es Kritik auslöst und Ängste weckt, dafür hat sie Verständnis. «Im heutigen Stadium kann ich das absolut nachvollziehen.»

Und die Alternative, welche die Kritiker vorschlagen? «Das mag interessant klingen. Die Frage ist, ob es auch realisierbar ist.» Aber man sei im Austausch.

Rundschau, 22.10.2025, 20:10 Uhr; noes

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