Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Bergdorf seit einem Jahr leer Wie weiter mit den Brienzer Häusern, wenn niemand mehr da wohnt?

Brienz ist seit einem Jahr ein Geisterdorf. Und könnte es länger bleiben. Was mit den Häusern passiert, wird nun abgeklärt.

Mitte November 2024 kam die Nachricht: Die Brienzerinnen und Brienzer müssen – zum zweiten Mal – ihre Häuser auf unbestimmte Zeit verlassen. Wieder drohte der Berg oberhalb des Bündner Bergdorfs abzustürzen. Wieder eine Evakuation. Bis heute konnte die Bevölkerung nicht auf Dauer in ihre Heimat zurückkehren.

Dorf mit Kirche vor Berghang und Erdrutsch.
Legende: Das Dorf Brienz/Brinzauls ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung der Schweiz (ISOS) verzeichnet. Keystone/Michael Buholzer

Erst diese Woche vermeldete die Gemeinde Albula, wo Brienz dazugehört: Ein Teil des Felses bewege sich mit acht bis zehn Zentimeter pro Tag momentan so schnell wie noch nie. Es könnten 150'000 Kubikmeter Fels abstürzen.

Ganzes Dorf in der roten Zone

Die aktuellen Meldungen von Brienz werfen einmal mehr Fragen auf, wie es mit dem Dorf überhaupt weitergehen soll. Rund zwei Drittel der 90 Bewohnerinnen und Bewohner entschieden sich bereits für eine präventive Umsiedlung. Dann stünden die Häuser endgültig leer. Wie sie es seit über einem Jahr ohnehin tun.

Berglandschaft mit Wolken, Geröll und Dorf im Tal.
Legende: Brienz und der Berg, der wie ein Damoklesschwert über den Häusern schwebt. Keystone/Gian Ehrenzeller

Aber was passiert mit einem nicht mehr bewohnbaren Dorf? Bleiben die Häuser einfach stehen? Oder wird es abgerissen? Das ganze Dorf befindet sich in der roten Zone.

Wenn man in hundert Jahren auf Brienz schaut: Erkennt man dann das Dorf noch?
Autor: Simon Becker Denkmalpflege Kanton Graubünden

Zuerst stellen sich auch finanzielle Fragen: Geplant ist, dass die Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer über das Waldgesetz für ihr Haus entschädigt werden. Auch wenn es stehen bleibt und kein Totalschaden erlitt. Das Gesetz verlangt aber, dass ein altes Gebäude abgebrochen werden muss, wenn Geld für ein neues ausgezahlt wird.

Hier kommt die Denkmalpflege des Kantons Graubünden ins Spiel. Denkmalpfleger Simon Becker erstellte im Auftrag der Gemeinde ein Gutachten. Es gehe darum, verschiedene Fragen zu beantworten: «Wenn man in hundert Jahren auf das Dorf schaut: Erkennt man dann das Dorf noch? Was müsste man dafür stehen lassen? Was kann man im waldgesetzlichen Sinn abbrechen?» Der «Körper», wie es der Denkmalpfleger nennt, müsse bestehen bleiben.

Was, wenn umgebaut schon wurde?

Um sich ein Bild zu machen, kollaborierte Simon Berger mit dem ISOS, dem Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung, und dem kantonalen Bauinventar. Es gehe bei der Arbeit aber nicht nur um geschützte oder schützenswerte Objekte: «Substanzielle Kriterien sind das eine. Wo ist die historische Substanz noch vorhanden?»

Man wisse zwar von Häusern, dass sie vor 200 Jahren gebaut wurden, vielleicht wurde es allerdings schon mehrmals umgebaut. So verändere sich die Substanz eines Gebäudes sehr. «Das ist die erste Abklärung. Die zweite Abklärung ist das Ortsbild.»

Zwei Häuser vor einem steinigen Berghang.
Legende: Der Schuttstrom des letzten grossen Bergsturzes vom Juni 2023 machte erst kurz vor dem Dorf Halt. 1.2 Millionen Kubikmeter stürzten damals ab. Keystone/Gian Ehrenzeller

Welche Häuser stehen bleiben und welche nicht, wird jetzt abgeklärt. Es gilt nach wie vor die Phase Rot für das Dorf. «Mit einem Ereignis muss in den kommenden Wochen jederzeit gerechnet werden. Es besteht ein Betretungsverbot für Brienz/Brinzauls und dessen Umgebung.»

Seit einem Jahr wohnen die Brienzerinnen und Brienzer nicht mehr in ihrem Dorf. Zurück können sie wohl nie mehr. Vielleicht bleiben – zumindest – die Häuser stehen.

Schweiz aktuell, 21.11.2025, 19 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel