Sprosse für Sprosse ging es für Nicole Theiler die Karriereleiter hinauf. Zuletzt war sie Geschäftsleiterin einer Bank und Chefin von 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Job gefiel ihr. Es hätte eigentlich immer so weitergehen können, wenn da im Hinterkopf nicht auch noch ein anderer Lebensentwurf geschlummert hätte: «Ich wollte immer auch noch etwas Handwerkliches lernen. Ich bin eine grosse Weinliebhaberin und so kam bei mir die Idee auf, etwas im Weinbau zu machen», sagt Nicole Theiler.
Ich wollte immer auch noch etwas Handwerkliches lernen.
Die Idee musste regelrecht gären. Sie schnupperte in Winzerbetrieben, um herauszufinden, ob dieser neue Schritt auch wirklich passt.
Mit 35 Jahren fasste sie dann endlich den Mut, kündigte bei der Bank und begann eine Lehre als Winzerin. Das ist jetzt zehn Jahre her. Am Anfang sei die Umstellung gross gewesen, sagt Nicole Theiler. Auf einmal drückte sie mit 17-Jährigen die Schulbank: «Ich war schon gefordert. Plötzlich war ich wieder in der Rolle der Fragenden, musste vieles lernen.» Und eines machte ihr besonders zu schaffen: Vieles nicht mehr selbstständig anpacken zu können. Aber: «Je länger ich im Betrieb war, das Handwerk gelernt habe, umso selbstständiger konnte ich wieder arbeiten.»
Und auch die neue Berufskarriere nahm Schwung auf. Seit diesem Jahr ist sie Fachperson Weinbau für die Zentralschweiz. Früher wäre sie als Rebbaukommissärin bezeichnet worden. Nicole Theiler ist damit Anlaufstelle für Winzerinnen und Winzer und erteilt die Bewilligungen für neue Rebberge. Sie betreut die rund 100 Betriebe, welche Trauben für Zentralschweizer Weine anbauen.
Herausforderung Klimawandel
Vom Büro an die frische Luft. Von der Zahlenbeigerei zur Weinlesekontrolle. Eine grosse Herausforderung, der sie sich zusammen mit den Winzerinnen und Winzern stellen muss, ist der Klimawandel. Wegen der steigenden Temperaturen hat sich der Weinbau in den Alpenraum verlagert – das sei positiv, davon profitiere die Zentralschweiz.
Regionalität ist in.
Die Schattenseite: Mehr Unwetter und unerwünschte Pflanzen und Schädlinge. In der Zentralschweiz setzt man deshalb auf neue Piwi-Sorten, das sind pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Nirgends sonst in der Schweiz werden sie so häufig angebaut.
Auf 110 Hektaren wird heute in der Zentralschweiz Weinbau betrieben – das sind zehnmal mehr als noch vor 40 Jahren. Die meisten Rebberge sind im Kanton Luzern zu finden.
Regionale Weine sind gefragt
«Das grosse Wachstum ist nun erreicht», sagt Nicole Theiler. Aber es gäbe schon noch Flächen in der Zentralschweiz, die für den Rebbau geeignet seien. Und auch der Markt für regionale Weine sei intakt. Das ist erstaunlich, denn: Schweizweit geht der Weinkonsum zurück.
«Wir haben dieses Problem in der Zentralschweiz zum Glück nicht. Regionalität ist in. Wo früher ein Fendant aus dem Wallis getrunken wurde, wird heute ein Wein aus der Region getrunken», sagt die Weinspezialistin. Darüber freut sie sich und man merkt: Hier spricht eine Person, die ihre Berufung definitiv gefunden hat.