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Branche unter schlechtem Stern Für 8 von 10 Medtech-Unternehmen ist die Wirtschaftslage negativ

Die Medtech-Branche ist bereits vier Jahre ohne EU-Abkommen. Sie will deshalb nur eins: neue EU-Verträge und einen Zolldeal mit den USA. Denn unterdessen haben Firmen mehr Juristen als Ingenieure angestellt, sagt Adrian Hunn, Direktor des Verbands Swiss Medtech im Interview.

Adrian Hunn

Direktor Swiss Medtech

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Adrian Hunn kennt die Medtech-Industrie und verwandte Branchen seit sechzehn Berufsjahren von innen. Er war für internationale Medtech-Konzerne wie Sonova tätig, aber auch für Medtech-Startups wie Dentalpoint, die er in seiner letzten Funktion als CEO mit einer erfolgreichen Wachstumsstrategie in die Zukunft geführt hat. Seit 2024 ist er neuer Direktor des Schweizer Medizintechnikverband Swiss Medtech.

SRF News: Was legitimiert die Medtech-Branche, sich zu den neuen EU-Verträgen zu äussern?

Adrian Hunn: Wir haben am eigenen Leib erfahren, was es heisst, wenn ein Abkommen wegfällt. 50 Prozent der Schweizer Medtech-Produkte gehen in die EU.

Es gibt Firmen, die beschäftigen unterdessen mehr Juristen als Ingenieure.

Die Bürokratie wurde ausgebaut, das führte zu Kosten von 115 Millionen Franken – und jährlich wiederkehrenden Kosten von 100 Millionen. Diese wären besser in Innovationen oder neue Produkte gesteckt worden. Es gibt Firmen, die beschäftigen unterdessen mehr Juristen als Ingenieure.

Arbeiterin leert Karton mit Produkten in grossen Behälter in Fabrik.
Legende: Eine Mitarbeiterin des Medizintechnikunternehmens Ypsomed füllt montierte Sicherheits-Pen-Nadeln in eine Verpackungsmaschine. Keystone/CHRISTIAN BEUTLER

Die Medtech-Branche wird oft als Beispiel herangezogen, dass es auch ohne Abkommen mit der EU geht. Was sagen Sie dazu?

Dieser Argumentation möchte ich vehement widersprechen. Denn wir wissen nicht, was wir alles verloren haben: Wie viele Stellen andernorts geschaffen wurden, wie viel aufgrund des Handelshemmnisses nicht in der Schweiz investiert wurde.

Wir sind nur durchschnittlich gewachsen – in einem grossen Wachstumsmarkt.

Da ist Potenzial verloren gegangen. Wir sind nur durchschnittlich gewachsen – in einem grossen Wachstumsmarkt.

Swiss Medtech unterstützen deshalb klar die neuen EU-Verträge?

In einer Umfrage gab es ein deutliches Verdikt: Zwei Drittel der Unternehmen unterstützen das Vertragspaket. Der Hauptgrund: die gegenseitige Anerkennung der Medizinprodukte.

Acht von zehn Unternehmen schätzen die momentane wirtschaftliche Situation negativ oder sehr negativ ein.

Wie sehr belasten die US-Zölle von 39 Prozent zusätzlich?

Acht von zehn Unternehmen schätzen die momentane wirtschaftliche Situation negativ oder sehr negativ ein. Das ist viel. Zu den Zöllen kommt noch die Aufwertung des Schweizer Franken seit Anfang des Jahres um 14 Prozent auf den US-Dollar. Das alleine ist schon eine mittlere Katastrophe, wenn 25 Prozent aller Produkten in die USA gehen. 20 Prozent der Unternehmen prüfen nun, Produktionen in die USA zu verlagern und ein Drittel ist auf der Suche nach neuen Märkten.

Ein Schweizer Hightech-Pflaster für Diabetiker wird seit Jahren in den USA verkauft, nicht aber in der Schweiz.

Sie fordern, dass die US-Anerkennung der FDA für Medizinalprodukte auch in der Schweiz gilt?

Das würde zum einen den Engpass in der Schweiz lindern. Zum anderen: Über 50 Prozent der Unternehmen in Europa lassen ihre Produkte zuerst in den USA zu. Weil es schneller und planbarer funktioniert als in Europa. Das führt zu absurden Situationen: Ein Schweizer Hightech-Pflaster für Diabetikerinnen und Diabetiker wird seit drei Jahren in den USA verkauft, nicht aber in der Schweiz. Obwohl es hier entwickelt wurde und noch heute produziert wird.

Sie wollen mit dieser Anerkennung auch den Zolldeal befeuern. Soll die Schweiz als «Einfallstor» für US-Produkte in Europa fungieren?

Diese FDA-Zulassung in der Schweiz für Medizinalprodukte ist Teil des aktuellen Verhandlungsmandates, soweit ich informiert bin. Und sie stösst in den USA auf grosses Interesse. Wenn ein US-Unternehmen in Europa Fuss fassen will, dann geht es dorthin, wo es das Produkt grad verkaufen kann. Die Schweiz liegt im Herzen von Europa. Wir haben Zugang zu Arbeitskräften und ein gutes Steuerregime.

Das Gespräch führte Karoline Arn.

Tagesgespräch, 15.10.2025, 13 Uhr ; 

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