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Bundesverwaltungsgericht IS-Sympathisant darf in der Schweiz bleiben

Ein IS-Sympathisant darf vorerst bleiben – bis das SEM neu entscheidet. Das Bundesverwaltungsgericht heisst Beschwerde gut. Die Übersicht.

Der Fall: Ein Iraker bekam 2002 in der Schweiz Asyl. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass er im Asylverfahren falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hatte, wurde ihm 2009 das Asyl widerrufen. 2014 verurteilte ihn das Bundesstrafgericht unter anderem wegen Unterstützung des sogenannten Islamischen Staates zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis.

Nachdem er diese Strafe abgesessen hatte (2018), wies ihn das Bundesamt für Polizei (Fedpol) aus der Schweiz aus, beurteilte jedoch seine Rückführung in den Irak zu jenem Zeitpunkt als völkerrechtlich unzulässig (Non-Refoulment-Prinzip: Eigentlich sollte jemand ausgeschafft werden, wenn ihm aber Folter oder unmenschliche Behandlung droht, kann man das nicht umsetzen). Deshalb schob es den Vollzug der Ausweisung auf und überwies das Dossier dem Staatssekretariat für Migration (SEM) zur Prüfung einer vorläufigen Aufnahme, die das SEM 2021 erteilte.

Im Juli 2023 ordnete das Fedpol den 2018 aufgeschobenen Vollzug der Ausweisung an, weil es der Ansicht war, eine Rückführung sei inzwischen zulässig. Dagegen erhob der Betroffene Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Bundesverwaltungsgericht
Legende: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde des IS-Sympathisanten gutgeheissen. Keystone/Gaetan Bally

Das Urteil: Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde des Irakers gut und hebt die Ausweisung des Fedpol auf (weil das Fedpol nicht mehr befugt war, den Vollzug der Ausweisung anzuordnen). Der Mann kann also (vorläufig) in der Schweiz bleiben – bis das SEM anders entscheidet. Das Urteil ist endgültig und kann nicht angefochten werden.

Gerichtskorrespondentin: «Er kann immer noch ausgeschafft werden»

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Einordnung von SRF-Gerichtskorrespondentin Sibilla Bondolfi:

Das Urteil bedeutet nicht, dass der IS-Gefährder nicht ausgeschafft werden kann. Es bedeutet nur, dass jetzt das SEM entscheiden muss und nicht das Fedpol. Die Ausführungen mit Leitentscheid-Charakter betreffen nur wenige Fälle (nach altem Recht), weil das Gesetz inzwischen korrigiert wurde und diese Situation nicht mehr entstehen kann. Künftig wird immer das Fedpol selbst über den Vollzug der von ihm verfügten Ausweisungen entscheiden. Eine nachträgliche vorläufige Aufnahme durch das SEM ist nicht mehr möglich. 

Begründung des Bundes­verwaltungs­gerichts: Dass jemand zugleich ausgewiesen und vorläufig aufgenommen ist, liegt am alten Recht (das inzwischen korrigiert wurde). Für diese altrechtliche Konstellation fällt das Bundesverwaltungsgericht einen wegweisenden Entscheid (Grundsatzurteil mit Leitentscheid-Charakter): Sobald und solange eine vorläufige Aufnahme besteht, darf der Vollzug der Ausweisung nicht angeordnet werden. Auch nicht durch das Fedpol. Es obliegt dem SEM, periodisch zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der vorläufigen Aufnahme noch gegeben sind (vorliegend: Ob dem Mann weiterhin im Irak Folter droht). Gelangt das SEM zum Schluss, dass dies nicht mehr der Fall ist, hat es die vorläufige Aufnahme aufzuheben und den Vollzug der zugrundeliegenden Ausweisung anzuordnen.

Korrektur-Hinweis

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In einer früheren Version war im Titel und Lead vom «Rollstuhl-Bomber» die Rede. Wir haben das korrigiert. Das lang erwartete Grundsatzurteil betrifft zwar die exakt gleiche Ausgangssituation und wird insofern auch den so genannten «Rollstuhlbomber» betreffen, erging aber formell in einem anderen Fall.

 

SRF 4 News, 07.11.2025, 12 Uhr;liea

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