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Debakel im Strassentunnel Auch Baufirma warnte vor Blockade der Bohrmaschine im Gotthard

Neben Experten warnte auch die Baufirma selber vor einer Blockade der Tunnelbohrmaschine. Doch das Bundesamt für Strassen Astra trieb die Arbeiten unbeirrt voran. Das zeigen interne Protokolle von der Baustelle am Gotthard. Verzögerungen und Mehrkosten sind die Folge.

Die Bohrmaschine «Paulina» ist seit Monaten am Gotthard-Südportal blockiert. Recherchen zeigen: An Warnungen hat es nicht gefehlt. Das belegen Protokolle, welche die «Rundschau» gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz herausverlangt hat.

Was bisher geschah

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Nach nur gerade 192 Metern blieb die Tunnelbohrmaschine «Paulina» Anfang Sommer im zerklüfteten Gestein stecken.

Davor gab es schon zahlreiche Warnungen. Ein eingestürztes Sondierbohrloch 2016, das auf schlechte geologische Verhältnisse hinwies sowie ein 150-seitiges Gutachten, welches empfahl, die ersten paar hundert Meter zu sprengen. Auch ein zweites Gutachten warnte vor denselben Gefahren, kam aber zum Schluss, trotzdem die Tunnelbohrmaschine einzusetzen – für Geologinnen und Experten unverständlich.

Das Astra entschied sich für die Bohrmaschine und diese blieb schon nach den ersten fünf Metern ein erstes Mal stecken. Definitiv blockiert wurde dann die Maschine bei Tunnelmeter 192.

Blockade war absehbar

6. Juni 2025 (zweieinhalb Wochen vor der Blockade): «Baufirma signalisiert, dass man ziemlich am Limit arbeite.» Viel Material und Blöcke drückten gegen den Bohrkopf.

10. Juni: «Alarmschwelle für den Materialfluss wurde überschritten.» Zu viel Aushub deutet auf einen gefährlichen Hohlraum hin.

18. Juni: «Schwieriger Aushub mit grossem Erdrutsch.» Jetzt beschliesst das Astra: Wenn zu viel Aushubmaterial einen Alarm auslöse, sollen die Arbeiten nicht jedes Mal unterbrochen werden. Eine Meldung genüge.

Mitglieder der Verkehrskommission des Nationalrats sind erstaunt:

«Wenn schon im Vorfeld geologische, unabhängige Experten vor der zerrütteten Zone gewarnt hätten, frage man sich schon: Wollte man da jetzt seitens Bauherrschaft sozusagen mit dem Kopf nicht durch die Wand, aber durch das brüchige, zerrüttete Gestein?», sagt der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult.

19. Juni: Vierzehnmal habe man den Bohrkopf vor- und zurückziehen müssen, bis es weiter ging. Die Baufirma warnt jetzt eindringlich: «Aufgrund der äusserst kritischen geologischen Situation besteht ein reales Risiko, dass die Maschine stecken bleibt.»

Astra wollte keinen Unterbruch

20. Juni: Bohrmaschine «Paulina» schalte sich ständig selbst ab, wegen Überlastung. Die Baufirma verlangt eine Krisensitzung mit «allen am Projekt beteiligten Akteuren einzuberufen und einen externen Experten hinzuzuziehen». Das Astra «ordnet an», weiterzumachen. Man wolle die Arbeit nicht so lang unterbrechen.

Der Tessiner FDP-Nationalrat Alex Farinelli sagt: «Wenn man das liest, ist das Fazit einfach: Man hätte die Arbeiten stoppen sollen.»

23. Juni: Das Bauunternehmen ist der Ansicht, dass es besser wäre, die Arbeiten einzustellen. Doch das Astra lässt weiterbohren.

Mehrkosten und Verzögerung

Kurz darauf steht die Maschine still. 31 Mal versucht die Baufirma, die Maschine wieder in Gang zu setzen. «Der Kopf der Tunnelbohrmaschine ist blockiert», der Bohrkopf lasse sich nicht mehr drehen, steht im Protokoll. Man muss seitlich einen Zugang sprengen, um sie von vorn zu befreien. Ein Zeitverlust von 6 bis 8 Monaten, Insider rechnen gar mit bis zu zwei Jahren beim Südportal. Die Mehrkosten schätzt das Astra auf bis zu 20 Millionen Franken.

Astra beharrt darauf, richtig gehandelt zu haben

Das Astra schreibt: Die Protokolle würden bestätigen, dass man korrekt gehandelt habe: «Die Tunnelbohrmaschine wurde im Juni aufgrund der schwierigen Geologie kontrolliert angehalten. Sie ist somit nicht blockiert im Sinne eines technischen Defekts oder Schadens, sondern wurde bewusst gestoppt.»

Für den emeritierten Geologie-Professor Adrian Pfiffner hingegen ist klar: «Aus dem Protokoll entnehme ich, dass die Maschine steckengeblieben ist und nicht mehr angeworfen werden konnte. Das ist nicht ein kontrolliertes Abstellen.» 

Die zweite Gotthardröhre

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Die 16.9 Kilometer lange zweite Röhre des Gotthardstrassentunnels soll 2030 eröffnet werden. Kosten: über 2 Milliarden Franken. Der Tunnel wird von der Nord- und Südseite her ausgebrochen. Während im Norden die Arbeiten im Zeitplan sind, hinken jene im Süden hinterher.

Die steckengebliebene Tunnelbohrmaschine «Paulina» ist 116 Meter lang, hat einen Durchmesser von 12.3 Meter und 7613 PS.

Jetzt fordern Parlamentarier Antworten vom Bund: Wie konnte es so weit kommen, dass die Tunnelbohrmaschine «Paulina» so lange still steht?

«Rundschau»

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Mehr zum Thema in der «Rundschau» um 20:05 Uhr auf SRF 1 oder auf Play SRF.

Rundschau, 22. Oktober 2025, 20:10 Uhr; noes

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