In der Nähe des Dorfes Stein im Toggenburg fand Urs Büchler ein totes Hirschkalb. «Ich sah eine Spur mit ein bisschen Schweiss und Blut im Schnee, dann das tote Tier. Für mich war schnell klar: Das war ein Wolf», sagt der Präsident des Schweizerischen Wildhüterverbands.
Problematisch sei das Verhalten des Wolfes in diesem Fall nicht. Doch nicht nur Wildtiere stehen auf dem Speiseplan des Wolfes, sondern auch Nutztiere – vornehmlich Schafe. So zum Beispiel beim Schilt-Rudel im sankt-gallischen Weisstannental.
Das Wolfsrudel sei für mehrere Nutztierrisse verantwortlich, teilte der Kanton St. Gallen mit. Die Folge: Zwei Jungwölfe aus dem Rudel wurden mit Bewilligung des Bundes abgeschossen. Solche Gesuche haben auch die Kantone Graubünden, Tessin, Waadt, Schwyz, Glarus, Neuenburg und Wallis eingereicht.
Zwei Motionen wollen mehr Wolfsabschüsse
Zwei Motionen möchten nun Wolfsabschüsse ausweiten. FDP-Ständerat Pascal Broulis verlangt, dass Wölfe eines Rudels, die ein problematisches Verhalten aufweisen, ganzjährig geschossen werden können. Bisher ist das nur zwischen Juni und Januar erlaubt.
Wenn ein Wolf Tiere reisst und zum Abschuss freigegeben wird, sollte man ihn auch dort erlegen dürfen.
SVP-Ständerätin Esther Friedli wiederum will die Wolfsjagd auch in Jagdbanngebieten zulassen: «Diese Gebiete machen etwa im Kanton Glarus 20 Prozent der gesamten Fläche aus.»
Es gebe dort Nutztiere und Alpwirtschaft. «Wenn ein Wolf Tiere reisst und zum Abschuss freigegeben wird, sollte man ihn auch dort erlegen dürfen.»
Für Christine Steiner, Präsidentin der Wolfsschutzorganisation «CHWolf», ist das unverständlich: «Es ist besorgniserregend, wie die Schweiz mit einer geschützten Tierart wie dem Wolf umgeht.»
Das Jagdgesetz sei bereits massiv verschärft worden. «Jagdbanngebiete sind Schutzgebiete. Mit einer Wolfsjagd wäre ihr Sinn und Zweck ausgehebelt.»
Der Wolfsabschuss erhitzt seit Jahren die Gemüter
Die beiden Forderungen sind ein weiteres Kapitel einer hitzigen Diskussion. 2020 lehnte die Stimmbevölkerung eine Revision des Jagdgesetzes ab. Sie sah unter anderem präventive Abschüsse von Wölfen eines Rudels vor: Wölfe sollten erlegt werden dürfen, bevor sie einen Schaden anrichten.
Wir haben deutlich weniger Nutztierrisse. Das liegt am Herdenschutz, der stark gefördert wurde.
Fünf Jahre später ist die präventive Regulierung unter Einhaltung bestimmter Bedingungen möglich. Das Parlament hatte sich dafür ausgesprochen, der Bundesrat setzte es zunächst befristet um. Seit dem 1. Februar 2025 ist das angepasste Jagdgesetz definitiv in Kraft.
Der Bundesrat sprach damals von einem «exponentiellen Wachstum» des Wolfsbestands. Zahlen der Stiftung Kora zeigen, dass es seit 2012 wieder Wolfsrudel in der Schweiz gibt und sie sich stark verbreitet haben. Mitte November wurden 39 Rudel nachgewiesen, 2020 waren es erst 10.
Auch die Risse von Nutztieren sind zunächst angestiegen. 2022 erreichten sie einen Höchstwert, seither sind sie zurückgegangen. Diese Entwicklung nimmt auch Wildhüter Urs Büchler wahr: «Wir haben deutlich weniger Nutztierrisse. Das liegt am Herdenschutz, der stark gefördert wurde.»
Trotz dieser Entwicklung will das Parlament die Schrauben beim Wolf anziehen und mehr Abschüsse zulassen. Nach dem Ständerat hat nun auch der Nationalrat beide Motionen angenommen.
Als Nächstes liegt es am Bundesrat, das Jagdgesetz zu überarbeiten – danach geht es wieder ins Parlament. Eines ist sicher: Der Umgang mit dem Wolf ist noch längst nicht ausdiskutiert.