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Diagnose ADHS Erwachsene mit ADHS – verkannt und alleine gelassen

Immer mehr Erwachsene erhalten die Diagnose ADHS. Doch was folgt auf die Diagnose? Betroffene berichten von Fehldiagnosen und falscher Behandlung in Psychiatrien.

Wer bei ADHS nur an Kinder denkt, liegt falsch. Die Diagnose betrifft längst auch Erwachsene. Weltweit liegt die Häufigkeit bei rund 3 % der Erwachsenen. Experten sprechen von einer hohen Dunkelziffer. In der Schweiz fehlen offizielle Zahlen – ein Indikator ist aber der Verordnungsatlas des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums Obsan. Neuste Zahlen zeigen: Von 2015 bis 2024 hat sich die Menge der verschriebenen ADHS-Medikamente bei den Erwachsenen verdreifacht. 

Zu wenig ernst genommen

Die «Rundschau» spricht mit zwei Betroffenen. Dan Salzmann leidet unter ADS, also einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Hyperaktivität. Deshalb sei er in der Schule nie aufgefallen. In der Lehre aber sei er überfordert gewesen. Er rutschte ab und begann, Drogen zu konsumieren.  «Ich denke heute, ich habe mich selbst medikamentiert», sagt er. In Kliniken und Drogeneinrichtungen habe man sein ADS nie richtig ernst genommen, sagt er. «Der Fokus lag immer mehr auf dem Thema Sucht». Doch erst eine gezielte ADS-Therapie habe ihm Stabilität gebracht. Die Medikamente seien ein «Gamechanger» gewesen.

Auch der 45-jährige Stefan Kalberer brauchte Jahre bis zur richtigen Behandlung. Ende 30 erlitt er einen Zusammenbruch und kam in eine psychiatrische Klinik. Dort sei er zwar stabilisiert worden, doch auch er sagt rückblickend: Seine ADHS-Diagnose habe man in der Klinik nicht ernst genommen. Stattdessen sei er auf Burnout- und Depressionsstationen gelandet, wo er sich falsch gefühlt habe. 

Experte kritisiert Psychiatrie 

Psychotherapeut François Gremaud, Vorstandsmitglied der Gesellschaft ADHS20+, kritisiert die Praxis in vielen psychiatrischen Kliniken. Zu oft würden Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Suchterkrankungen behandelt – nicht aber das ADHS selbst. «Man behandelt die Spitze des Eisbergs, nicht das was den Problemen zugrunde liegt», sagt Gremaud gegenüber der «Rundschau».

Psychiater widerspricht 

Erich Seifritz, Direktor Erwachsenenpsychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich  widerspricht: «ADHS wird in der Psychiatrie sehr ernst genommen». Ein Klinikaufenthalt erfolge selten ausschliesslich wegen ADHS. «Meist stehen Depressionen, Suizidalität oder Suchterkrankungen im Vordergrund» – diese müssten dann zwingend zuerst behandelt werden. Seifritz betont: Die Diagnose ADHS sei Teil der ärztlichen Ausbildung im Studium und in der Facharztausbildung. Bei Hinweisen erfolge eine vertiefte Abklärung. 

Stefan Kalberer und Dan Salzmann sind überzeugt: Erst die gezielte ADHS-Behandlung hat ihnen geholfen. Heute geht es beiden gut. Salzmann nimmt regelmässig Medikamente, während Kalberer – unterstützt von der IV – sein Leben ADHS-gerecht eingerichtet hat. Er kommt ohne Medikamente aus.

«Rundschau»

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Mehr zum Thema in der «Rundschau» um 20:05 Uhr auf SRF 1 oder auf Play SRF.

Rundschau, 26.11.2025, 20:10 Uhr

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