Severin Z. ist Mitte zwanzig und wohnt allein in einer Zürcher Gemeinde. Ums Festen ist ihm nicht zumute. Zu stark lastet das Gefühl auf ihm, einsam zu sein. Und dies, obwohl er eine Partnerin hat. «Gegen aussen gebe ich mich normal, als würde ich die ganze Weihnachtszeit super finden. Aber in mir ist so eine Leere. Sie ist schwer zu beschreiben, aber ich zeige sie nicht.»
Gerade jetzt wieder suchen Menschen wie er vermehrt Rat bei der Nummer 147. Diese richtet sich speziell an Jugendliche und Minderjährige. Die Linie und den Chat betreibt «Pro Juventute». Das Angebot ist anonym, kostenlos und steht rund um die Uhr offen.
An Weihnachten akzentuieren sich Probleme
In den letzten fünf Jahren habe sich der Aufwand in der Beratung verdoppelt, heisst es bei der Stiftung. Mediensprecherin Lulzana Musliu spricht von täglich mehreren Jugendlichen, die sich melden, weil sie unter Einsamkeit leiden. Viele erlebten Mobbing oder hätten Streit mit Familie oder Freunden.
«An den Feiertagen wird es sich akzentuieren, da viele Jugendliche die Zeit als besonders schön erleben wollen. Ist das nicht der Fall, verstärkt sich die Einsamkeit.»
Ein ähnliches Bild zeichnet die «Dargebotene Hand». Der Verband mit zwölf lokal verankerten Regionalstellen betreibt das nationale Sorgentelefon 143. «Wir haben sehr viele Jugendliche, die einsam sind», erzählt Mirjam, eine der unzähligen freiwilligen Mitarbeitenden in Bern.
«143» ist gratis und permanent in drei Landessprachen sowie in Englisch besetzt. Die Hotline finanziert sich aus privaten Spenden, zudem aus Beiträgen von Stiftungen, Unternehmen, Landeskirchen, Kantonen und Gemeinden.
Das Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen, wachse an diesen Festtagen, weil sie mit Harmonie und Familie in Verbindung gebracht werden, stellt Franziska Nydegger fest, die Leiterin der Berner Regionalstelle. Einsam fühlten sich Menschen jeglichen Alters, Ältere in Heimen genauso wie Jugendliche, die in sozialen Medien aktiv seien, aber kaum persönliche Kontakte pflegten.
Gespräche wirken wie «Erste Hilfe»
Ein Drittel der Betroffenen sind Männer. Vor allem Jüngere fühlten sich oft alleingelassen, so Nydegger. «Manche schaffen den Einstieg in die Gesellschaft und die Arbeitswelt nicht, oder sie finden keine Partnerin. Das kann dazu führen, dass sie sich als Aussenseiter fühlen. Gewalt oder Gewaltfantasien sind ebenfalls ein Thema, weil man sich ohnmächtig fühlt.»
In solchen Situationen könne es helfen, sich einer Person anzuvertrauen, die zuhört, unterstreicht Martin Bolliger, Präsident des Nationalen Vorstandes der «Dargebotenen Hand Schweiz». Ein Gespräch wirke wie eine Art «Erste Hilfe» und könne emotional entlasten.
Severin Z. unterstützt solche Hilfskampagnen. Er wünscht sich, «dass sich mehr Menschen, vor allem Jugendliche melden, um nicht allein leiden zu müssen.» Sprechen über Einsamkeit sieht er als wichtigen Schritt, um sich weniger einsam zu fühlen.