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Erinnerungskultur Stadt Zürich geht Vergangenheitsbewältigung strategisch an

Potenziell rassistische Hausinschriften oder die Bildersammlung von Emil Bührle: Als erste Schweizer Stadt hat Zürich eine Strategie zur Erinnerungskultur entwickelt.

Was ist die Ausgangslage? Muss die Statue von Alfred Escher vor dem Hauptbahnhof weichen? Müssen rassistische Hausinschriften abgedeckt werden? Darf Kunst, die Juden unter Zwang verkauft haben, im Zürcher Kunsthaus hängen? Sollten mehr Plätze und Strassen nach Frauen benannt werden?

Solche und ähnliche Fragen haben in den letzten Dekaden die Stadt Zürich beschäftigt, sei es als politischer Vorstoss im Stadtparlament, als Initiative aus der Bevölkerung oder als kontroverse Diskussion in den Medien. Bisher wurden diese Fragen fallspezifisch von unterschiedlichen Fachstellen, Arbeitsgruppen und Bereichen der Stadtverwaltung behandelt. Um diese Themen künftig strategisch einheitlich anzugehen, hat Zürich als erste Schweizer Stadt eine Strategie zur Erinnerungskultur entwickelt.

Was ist Erinnerungskultur? Es geht um alle Formen des Erinnerns an historische Ereignisse, Personen und Orte. Da verschiedene Gruppen unterschiedlich darüber denken, entstehen zwangsläufig Widersprüche und Auseinandersetzungen. Es geht schliesslich um die Deutung von Geschichte. Dafür gab es in den letzten Jahren viele umstrittene Beispiele – etwa die rassistischen Hausinschriften im Zürcher Niederdorf –, aber auch allgemein akzeptierte Fälle, wie das Setzen von Stolpersteinen im Gedenken an NS-Opfer.

Beispiele für den Zürcher Umgang mit Erinnerungskultur

Was will die Stadt Zürich erreichen? Die Stadt Zürich will zum althergebrachten Narrativ der reichen weissen Männer ein kritischeres Geschichtsbewusstsein beiziehen, wie auch die Sicht anderer Gemeinschaften und von Minderheiten. Wenig beachtete historische Themen sollen in den Blick der Öffentlichkeit rücken. Es bestehe ein Bedürfnis, die Geschichte Zürichs umfassender zu erzählen, schreibt der Stadtrat in einer Mitteilung. Es wurden strategische Ziele festgelegt in den Bereichen Forschung, Vermittlung, Vernetzung sowie öffentlicher Raum und Denkmäler. Der Stadtrat will eine «lebendige, vielfältige Erinnerungskultur» und diese koordinieren, vernetzen und ermöglichen.

Was lanciert Zürich neu? Die Stadt schafft ab 2027 eine neue Fachstelle Erinnerungskultur. Diese koordiniert alle städtischen Aktivitäten über die Departementsgrenzen hinweg und ist externe Ansprechpartnerin. Die Fachstelle vernetzt, entwickelt Prozesse für historische Studien und organisiert Austauschformate.

Wie wird die Öffentlichkeit einbezogen? Die Stadt Zürich vergibt neu finanzielle Mittel für erinnerungskulturelle Projekte. Schulen, Vereine und Einzelpersonen, die ein Gesuch für diese Finanzierung einreichen wollen, können sich bei der neuen Fachstelle beraten lassen. Bestehende Denkmäler, Strassennamen oder Darstellungen an Gebäuden können auf Anregung der Öffentlichkeit hin aufgearbeitet und vermittelt werden. In Härtefällen könne auch eine Entfernung geprüft werden, schreibt die Stadt in der neuen Strategie.

Wird es sichtbare Resultate geben? Zürich hat kein Standardwerk zur Geschichte der Stadt. Die Stadt will nun eine solche neue und zeitgemässe Stadtgeschichte prüfen lassen. Ebenfalls lässt sie ein digitales «Living Archive» prüfen, wo Zeichen und Orte im Stadtraum erfasst, dokumentiert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.

Was kostet das? Der Stadtrat beantragt beim Stadtparlament wiederkehrende Ausgaben von 375'000 Franken pro Jahr.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 10.11.2025, 17:30 Uhr ; 

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