Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP, legt wegen einer «grossen Erschöpfung» eine politische Pause ein. Meyer ist nicht die erste Persönlichkeit in der Schweizer Politik, die eine Pause einlegen muss.
Diese Personen haben eine Politik-Pause eingelegt
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Wie Mattea Meyer ist es in der Vergangenheit schon einigen Schweizer Politikern und Politikerinnen gegangen. Die Zürcher SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli teilte 2012, damals noch als Nationalrätin, auf Facebook mit, dass sie an einem Burnout leide. Der GLP-Nationalrat Martin Bäumle erlitt 2012 einen Schwächeanfall und machte das ungesunde Leben unter der Bundeshauskuppel dafür verantwortlich. Später erlitt Bäumle einen Herzinfarkt. Und die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran musste im Jahr 2022 eine ärztlich verordnete Pause machen. Dies sind nur einige Beispiele.
Das Thema Erschöpfung betreffe viele Menschen in der Schweiz, nicht nur Politikerinnen und Politiker, sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. «In der Politik kommen zum normalen Stress noch weitere Faktoren dazu.» So sei man immer Politiker, wenn man das Haus verlasse, und könne seinen Beruf praktisch nicht ablegen.
Die ständige Beobachtung ist mental oft eine sehr hohe Belastung.
Man sei exponiert, in den Medien und auf den sozialen Medien, und habe lange Arbeitstage, auch an Wochenenden. Man stehe ständig unter Beobachtung und auch in der Kritik. «Das ist vor allem mental oft eine sehr hohe Belastung.»
Für Sarah Bütikofer, Politikwissenschaftlerin an der Universität Zürich, ist unter anderem das Milizsystem mitverantwortlich dafür, dass es immer wieder Politikerinnen oder Politiker gibt, die eine Auszeit brauchen. Das Milizsystem sei über 150 Jahre alt und wurde in einer Zeit entwickelt, in der man in der Schweiz noch völlig anders gelebt habe.
Politologin Bütikofer: Politik macht nicht krank
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Legende:
Sarah Bütikofer ist promovierte Politikwissenschaftlerin und arbeitet an der Universität Zürich.
ZVG
«Dass Politik krank macht, würde ich generell nicht sagen, aber sie nimmt einen sehr ein», so Bütikofer. Viele Politikerinnen und Politiker seien sehr leidenschaftlich dabei und gäben sehr viel von sich. Etwa komme bei vielen Me-Time, Freizeit und Abschalten zu kurz. In den letzten Jahren habe sie beobachtet, dass sich mehrere Personen eine Auszeit genommen hätten. Und einige hätten gar ihren Rücktritt eingereicht, weil es ihnen zu viel wurde.
Grundsätzlich seien Exekutiv-Politikerinnen und -Politiker im Vorteil, weil diese in der Regel einen entsprechenden Staff hätten und auf viel Personal zurückgreifen könnten. In der Legislative aktive Politikerinnen und Politiker seien mehr oder weniger auf sich gestellt, wobei es grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Personen gebe.
«Einige Männer in der Politik leben ein traditionelles Familienmodell und haben zu Hause eine Ehefrau, die den Laden schmeisst, sich um Kinder, Familie und so weiter kümmert.» Bei Frauen sei dies selten der Fall. Deren Männer seien meist auch erwerbstätig und steckten nicht zurück für die Politkarriere der Frau.
Um das Problem zu lösen, müsse aber nicht das System abgeschafft oder geändert werden. «Für viele wäre es eine Unterstützung, wenn sie fürs Organisieren der Termine, das Führen der Agenda oder das Bearbeiten der Post jemanden hätten oder auf Dienstleistungen zurückgreifen könnten», so Bütikofer.
Legende:
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer macht eine politische Pause – wegen «grosser Erschöpfung», wie sie selbst mitgeteilt hat.
KEYSTONE / Anthony Anex (Archiv)
In der Schweiz machen das heute viele Politikerinnen und Politiker noch selbst. Auch Cédric Wermuth sieht darin eine Lösung: «Mehr Unterstützung für Mitarbeitende wäre bereits eine deutliche Entlastung.»
Wermuth nahm selbst eine Auszeit
Wermuth sagt aber auch, dass man nicht in ein Wehklagen verfallen dürfe. Es sei ein grosses Privileg, Politiker zu sein. Er fühle sich geehrt, dass er die Menschen, die ihn gewählt hätten, vertreten dürfe. «Das gibt mir Kraft.» Auch sei der Job unglaublich abwechslungsreich und extrem spannend.
Doch es sei auch wichtig, dass man sich auch mal herausnehmen könne und seine Zeit anders einsetze. Wermuth selbst hatte sich nach der Wintersession 2023 eine Auszeit gegönnt und war mit seiner Familie für zwei Monate verreist.