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ETH-Studie «Verkehr 45» Freude in der Zentralschweiz, Konsternation in Bern und Basel

Die ETH schlägt vor, der Bund solle in den nächsten 20 Jahren vor allem auf grosse Schlüsselprojekte setzen. Das freut nicht alle Kantone und Städte.

Wie soll die Verkehrsinfrastruktur in der Schweiz ausgebaut werden? Ein ETH-Gutachten schlägt Priorisierungen vor, was bei Kantonen und Städten unterschiedliche Reaktionen auslöst.

Freude in der Zentralschweiz

Der Durchgangsbahnhof Luzern und der Zimmerbergtunnel 2 werden in dem Gutachten als wichtige Projekte mit hoher Priorität gewertet. Darüber ist die Zentralschweizer Politik hocherfreut.

Menschen warten auf dem Bahnsteig einer modernen unterirdischen Zugstation.
Legende: Der Bahnhof Luzern ist nach Zürich und Bern der dritte meistfrequentierte Bahnhof der Schweiz, heisst es im Gutachten. Er leide jedoch unter Engpässen und Platzmangel. Deshalb soll ein unterirdischer Durchgangsbahnhof Abhilfe schaffen. Visualisierung SBB

«Dass das Gutachten den dringlichen Handlungsbedarf für die Zentralschweiz erkennt, freut uns», sagt der zuständige Luzerner Regierungsrat Fabian Peter. Letztendlich entscheidet das Bundesparlament über die Realisierung des Milliardenprojekts.

«Das ist jetzt mal eine fachliche Empfehlung – eine gute Ausgangslage. Am Schluss entscheidet aber die Politik», so Peter. Und Theres Rotzer, Nidwaldner Regierungsrätin, sagt: «Für den politischen Prozess braucht es die Geschlossenheit aus der Zentralschweiz.»

Fragezeichen in Solothurn

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Auf Anfrage hiess es bei der Solothurner Regierung, dass man grundsätzlich zufrieden sei, weil mehrere grosse Projekte auf dem Kantonsgebiet nach wie vor Priorität geniessen. Einige Fragezeichen blieben dennoch. Dies weil Projekte im Schwarzbubenland auf der Prioritätenliste nach hinten gerückt sind. Dort wurde zum Beispiel die geplante S-Bahn-Haltestelle Apfelsee in Dornach zurückgestuft.

St. Gallen: Aufwind für dritte Röhre

Laut ETH-Studie hat das Projekt der umstrittenen dritten Röhre des Rosenbergtunnels eine hohe Priorität. Die Wiederaufnahme des Projekts sei «inhaltlich zweckmässig».

Autos fahren durch den Rosenbergtunnel in St. Gallen, Schweiz.
Legende: Laut ETH-Bericht brauche der Rosenbergtunnel auf der St. Galler Stadtautobahn eine dritte Röhre als Kapazitätsreserve, um die zwei bestehenden Tunnelröhren überhaupt sanieren zu können. Diese sind in die Jahre gekommen. Keystone/Gian Ehrenzeller

Für den St. Galler Regierungspräsidenten Beat Tinner ist die höchste Priorisierung ein wichtiges Zeichen: «Wir brauchen diese dritte Röhre für den Kanton und die Ostschweiz, damit es zu keinem Verkehrskollaps kommt.» Die Regierung setzte sich nach dem Abstimmungs-Nein bereits mit einer Standesinitiative beim Bund für das Grossprojekt ein. Und sieht sich nun bestätigt.

Vollknoten St. Gallen nicht prioritär: «Nicht nachvollziehbar»

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Menschen vor modernem Gebäude mit leuchtenden blauen Symbolen.
Legende: Der Hauptbahnhof St. Gallen wird vorerst kein Vollknoten werden. Keystone/Gian Ehrenzeller

Seit Jahren gibt es Pläne, den Bahnhof St. Gallen zu einem Vollknoten aufzuwerten. Vollknoten heisst: Der Fern- und Regionalverkehr werden besser aufeinander abgestimmt, die Wartezeiten sollen kürzer werden. Dieses Projekt wird im ETH-Bericht als nicht prioritär angesehen. Die Reaktion aus St. Gallen: «Die Regierung kann diese Beurteilung nicht nachvollziehen.»

Regierungspräsident Beat Tinner zeigt sich enttäuscht: «Die Realisierbarkeit wird um mehrere Jahre verschoben.» Trotzdem wolle St. Gallen am Projekt dran bleiben.

Stadt Winterthur warnt

Bei der Glattalautobahn kommt die Studie zu einem deutlichen Schluss: Der Abschnitt der A1 bei Zürich Nord, einer der meistbefahrenen Strecken der Schweiz, soll nicht weiterverfolgt werden – es sei teuer und risikobehaftet. Grünes Licht gibt die Studie hingegen für ein Bahnprojekt: den Bau eines vierten Gleises am Bahnhof Stadelhofen.

Auch der Ausbau der A1 bei Töss auf sechs Spuren hat derzeit keine hohe Priorität, obwohl er grundsätzlich sinnvoll wäre. Der Winterthurer Stadtrat zeigt sich darüber alarmiert und warnt vor negativen Folgen für die Stadtentwicklung.

Ansicht einer zweispurigen Landstrasse mit einem blauen LKW und einem grauen Auto, umgeben von Bäumen und Wiesen.
Legende: So sieht das Ende der Oberlandautobahn A53 bei Hinwil heute aus. Keystone/Steffen Schmi

Hohe Priorität erhält ein anderes Projekt im Kanton Zürich: Der Ausbau der Oberlandautobahn zwischen Uster Ost und Betzholz – unter anderem wegen der Bedeutung für die Verkehrssicherheit.

Neuer Druck aus Schaffhausen?

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In Schaffhausen geht es um ein Grossprojekt. Die ETH-Studie stuft den Bau der zweiten Röhre des Fäsenstaubtunnels als nicht prioritär ein. Das Projekt soll frühestens ab 2045 wieder aktuell werden.

Die zweite Röhre war Teil der Abstimmung im November, bei der die Schweizer Stimmbevölkerung den Autobahnausbau abgelehnt hat. Erst dieses Jahr forderte das Kantonsparlament, dass die Schaffhauser Regierung beim Bund erneut Druck macht.

Einschneidend für Bern

Für den Bypass Bern Ost heisst es: Warten. Das Autobahnprojekt wird zum Missfallen der Stadt zurückgestuft. Sie bedaure diesen Entscheid, sagt Verkehrsdirektor Matthias Aebischer. Der Bypass sieht vor, die Autobahn im Osten von Bern in einen Tunnel zu verlegen. «Das ist eine Reparatur für die Stadt und würde Bern extrem aufwerten», so Aebischer. Bern fordert den Bund deshalb auf, trotzdem an der Realisierung festzuhalten: «Wir werden dafür kämpfen.»

Autos auf einer Autobahnausfahrt mit Schild 'Ausfahrt'.
Legende: Das Bypass-Projekt will die Stadtautobahn A6 zwischen Wankdorf und Muri in einen Tunnel verlegen. Keystone/Alessandro della Valle

Wieder auf dem Tisch ist der Autobahnausbau Grauholz. Das ist überraschend, weil die Bevölkerung einen Ausbau ablehnte. Laut Bericht brauche der Abschnitt Wankdorf–Schonbühl jedoch dringend acht statt sechs Spuren. Realisieren soll man ihn spätestens nach 2045.

Darüber freut sich der Kanton Bern

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Froh ist der Kanton Bern vor allem, dass weitere Projekte in der Region priorisiert wurden, wie Baudirektor Christoph Neuhaus sagt. Er erwähnt den Bahnhof Interlaken Ost, die nötigen Infrastrukturen beim Regionalverkehr Bern-Solothurn RBS rund um den neuen Bahnhof Bern oder die Haltestelle Kleinwabern.

Grosse Enttäuschung in Basel

In Basel-Stadt und Baselland ist die Enttäuschung gross, dass die Studie den geplanten Basler Tiefbahnhof nach hinten verschiebt. Dieser ist auch Voraussetzung für den S-Bahn-Ausbau mit einem Tunnel unter dem Rhein. Die baselstädtische Regierungsrätin Esther Keller fordert, der Tiefbahnhof müsse «in den nächsten 20 Jahren» gebaut werden.

Keine Basler Einigkeit beim Autobahn-Rheintunnel

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Weniger einig ist man sich in der Region zum Autobahn-Rheintunnel, dem zweiten Grossthema. Dass die ETH-Studie diesen trotz Urnen-Nein zum Ausbaupaket weiter für nötig hält, ist für Reber «nachvollziehbar», während Keller diese Priorisierung als «unverständlich» kritisiert angesichts der kantonalen Klimaziele und des Volks-Neins. Für die Handelskammer beider Basel ist das Priorisieren des A2-Rheintunnels wichtig; der tägliche stundenlange Stau müsse weg. Der VCS hingegen beklagt, das Beharren auf diesem abgelehnten Autobahnprojekt sei respektlos gegenüber den Stimmberechtigten.

Der Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektor Isaac Reber nennt als Ziel, «dass in der Botschaft 2026 der Tiefbahnhof als erste Etappe des Kapazitätsausbaus aufgenommen wird». Etappierung solle den Bahnausbau voranbringen.

Keller mahnt, Basel sei ein Wirtschaftsmotor für die ganze Schweiz und ein Nadelöhr. «Wenn wir da jetzt nicht ausbauen, laufen wir langfristig in ein Problem hinein.»

«Grosses Problem» im Aargau?

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Im Aargau nimmt man es grundsätzlich wohlwollend zur Kenntnis, dass der Bund eine Gesamtverkehrsbetrachtung machen liess. Bei einigen Beurteilungen in der ETH-Studie sieht man sich beim kantonalen Baudepartement bestätigt. Mit anderen jedoch nicht. Gar nicht zufrieden ist der Kanton Aargau mit der Bewertung des Autobahnausbaus auf sechs Spuren zwischen Aarau Ost und Birrfeld. Dieses Projekt hat gemäss Studie an Priorität verloren, es ist zurückgerutscht. Diese Herabstufung sei sehr überraschend, sagt Carlo Degelo vom Aargauer Baudepartement.

Die Planung für den Ausbau sei praktisch abgeschlossen, der Ausbau unbestritten. «Die A1 ist im Kanton Aargau sehr belastet. Und wenn die A1 im Aargau nicht funktioniert, haben wir ein sehr grosses Problem auf dem gesamten Strassennetz», so Degelo. Wie der Aargau jetzt mit dieser Zurückstufung umgehe, konnte Degelo noch nicht sagen. 

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Tagesschau, 9.10.2025, 19:30 Uhr;ledn;gygm;liea

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