Heute vor 50 Jahren trat die Schweiz dem Europarat bei. Der Rat setzt sich für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ein. Er hat seinen Sitz in Strassburg. 47 europäische Staaten von Portugal bis Russland sind Mitglieder.
Am 23. April 1963 bedankte sich der damalige Aussenminister Friedrich Traugott Wahlen in Strassburg für die warmherzige Aufnahme der Schweiz. Sie war das 17. Mitglied.
Der Beitritt der Schweiz in den Europarat war in der Öffentlichkeit und in der Politik wenig diskutiert worden. Wegen der damaligen Rechtslage hatte keine Volksabstimmung stattgefunden.
Bundesrat in Aussenpolitik nicht mehr allein
Die Parlamentarier, welche die Schweiz mit einer Delegation im Europarat vertreten würden, unterstützten den Beitritt. Der Grund: «So war die Aussenpolitik nicht mehr allein in den Händen des Bundesrats», sagt der Historiker Georg Kreis gegenüber SRF. Er ist Geschichtsprofessor und ehemaliger Leiter des Europainstituts der Universität Basel.
Die Hauptaufgabe dieses Europarats war es, einen engeren Zusammenschluss seiner Mitglieder zu verwirklichen. Früher hatte man noch die Idee einer europäischen Verfassung. «Das wäre heute unmöglich. Da würde die Schweiz nicht mehr mitmachen», so Kreis.
Am Anfang war klar: Der Europarat muss ein schwaches Gebilde sein. Sonst hätte Grossbritannien nicht mitgemacht. Grossbritannien wollte man aber unbedingt dabei haben. Gewisse Bedenken der Schweiz, dass der Europarat zu viel reinreden könnte, waren somit wenig angebracht.
Der Europarat musste sich in erster Linie auf Kultur- und Sozialfragen konzentrieren. Erst 1950/53 kam mit der Menschenrechtskonvention ein starkes Gebilde dazu.
Die europäische Menschenrechtskonvention – der europäische Gerichtshof für Menschenrechte – spielte damals beim Beitritt der Schweiz schon eine Rolle. Würden dann fremde Richter über Schweizer Gerichtsentscheide befinden können?
Die Diskussion war lanciert. Man müsse aber an dieser Stelle auch erwähnen, dass der Schweizer Luzius Wildhaber während zehn Jahren diesem fremden Gericht als Präsident vorgesessen ist.
Fehleinschätzung der Schweiz
Die Schweiz sah sich als derart perfekt in Menschenrechtsfragen, dass ein Beitritt gut möglich war. Man riskierte ja nicht, kritisiert zu werden. «Das war eine Fehleinschätzung!» In Sachen Frauenstimmrecht oder Vormundschaftsfragen von Heimkindern sei man ja nicht ganz auf der Höhe der Standards der Menschenrechte gewesen, erzählt der Historiker.
«Wir sind in der Schweiz im Guten wie im Schlechten eine Durchschnitts-Nation.» Und reihum käme in so einem Gemeinschaftsgericht jeder mal dran, sagt Georg Kreis. «Deutschland, die Türkei, die zum Beispiel etwas häufiger und zu recht, und Russland. Dass es da auch mal die Schweiz betrifft, gehört einfach zur Normalität.»